Willkommen zurück, geliebte Rush-hour Es ist wieder eng in der 2. Klasse, und Autofahrer haben «eeewig»

Von Philipp Dahm

2.9.2021

Gefühlt wirken die Züge dieser Tage voller als vor der Pandemie – doch mit Zahlen lässt sich das bisher noch nicht belegen.
Gefühlt wirken die Züge dieser Tage voller als vor der Pandemie – doch mit Zahlen lässt sich das bisher noch nicht belegen.
Archivbild: KEYSTONE

Flugzeuge, die aus und in die Schweiz fliegen, sind rappelvoll. Wer mit dem Auto zur Arbeit fährt, braucht plötzlich wieder Geduld, und auch bei den SBB findet sich in der 2. Klasse kaum ein Sitzplatz. Ist das normal?

Von Philipp Dahm

Es ist Freitagmittag am Zürcher Flughafen. Eine Durchsage: «Weil unser Flug nach Paris voll ausgebucht ist, suchen wir einen Passagier, der den Flug am Abend nehmen könnte. Es gibt dafür eine Entschädigung von 280 Franken.»

Auch meine Maschine Richtung Hamburg ist gut gefüllt – was für den Rückflug am Montag ebenso gilt. Obwohl dieser gleichfalls schon am frühen Nachmittag Richtung Zürich abhebt, ist der Airbus praktisch voll. Wer in Zeiten der Pandemie Angst vor zu viel Nähe hat, sollte lieber zu Hause bleiben.

Zurück in der Schweiz wird auch die Luft für Pendler dünner, die sich Sorgen machen, wenn sich Abstände nicht einhalten lassen. Etwa, wenn du nun morgens von Zürich nach Volketswil im Zürcher Oberland fährst, wo sich die «blue News»-Redaktion befindet.

Eine Klasse für sich – und die prall gefüllte 2. Klasse

Am Nadelöhr Bellevue fliesst der Verkehr nach dem Ferienende fast schon wieder so zäh wie vor der Pandemie – genauer gesagt: Er stockt und staut sich. Eineinhalb Meter Abstand werden da schon mal unterschritten, aber zumindest ist noch etwas Karosserie dazwischen.

Stau auf der Zürcher Sihlhochstrasse: fast wie früher – oder noch schlimmer? 
Stau auf der Zürcher Sihlhochstrasse: fast wie früher – oder noch schlimmer? 
Archivbild: KEYSTONE

Das würde sich mancher Pendler in der S-Bahn sicher auch wünschen. Die Kollegin, die auf der Bahnschiene zur Arbeit kommt, ist ein wenig fassungslos. In der Stosszeit ist ihr Zug mehr als gut gefüllt. Die Sitzplätze sind alle belegt, die Passagiere müssen oft genug stehen – und ans Abstandhalten ist nicht zu denken.

Das Ende der Home-Office-Pflicht hat das Seinige zur Situation beigetragen – und während sich in der 2. Klasse Herr und Frau Schweizer gefühlt auf den Füssen stehen, herrscht in der 1. Klasse noble Leere. Dabei ist die Impfquote bei Gutverdienenden höher: Obwohl diese Gruppe im Alltag geschützter ist, kann sie dank des Platzangebots besser Abstand halten.

SBB: «Die Züge verkehren in normaler Länge»

Doch wer denkt, die Bahn habe einfach ihre Kapazitäten noch nicht wieder hochgefahren, ist auf dem Holzweg: «Diese Aussage ist nicht korrekt: Die SBB hat ihre Kapazitäten lediglich während dem Lockdown im Frühjahr 2020 reduziert», antwortet SBB-Sprecher Martin Meier auf Nachfrage von blue News. «Seit dem Ende des Lockdowns verkehren alle Züge wieder gemäss Fahrplan.»

Auch die Kürzungen, die es zwischenzeitlich gegeben hat, seien nicht mehr aktuell, führt Meier aus. «Die Züge verkehren in normaler Länge», versichert er. Wenn, dann könne es höchstens kurzfristige Änderungen geben – etwa wegen technischer Störungen.

Der SBB-Sprecher räumt zwar ein, dass der Verkehr wieder zugenommen hat: «Mit den Lockerungen der Homeoffice-Pflicht und dem Ende der Sommerferien sind auf Strasse sowie Schiene wieder mehr Leute unterwegs.» Doch die Auslastung sei nicht so hoch, wie es vielleicht den Anschein habe – und die SBB können das auch mit Zahlen belegen.

Auslastung des Nah- und Fernverkehrs im Vergleich zu prä-Pandemie-Zeiten. Die Auslastung lag in der Woche vom 16. August bis 22. August im Fernverkehr bei 70 Prozent gegenüber 2019, im Regionalverkehr bei 80 Prozent gegenüber 2019.
Auslastung des Nah- und Fernverkehrs im Vergleich zu prä-Pandemie-Zeiten. Die Auslastung lag in der Woche vom 16. August bis 22. August im Fernverkehr bei 70 Prozent gegenüber 2019, im Regionalverkehr bei 80 Prozent gegenüber 2019.
Grafik: SBB

Schönheitsfehler und gefühlte Wahrheiten

Einen Schönheitsfehler hat diese Rechnung jedoch: Zwischen dem 16. und 22. August waren zumindest in Zürich noch Ferien. Ob es im täglichen Verkehr nun also wirklich enger geworden ist, lässt sich nicht erhärten. Es ist theoretisch auch denkbar, dass ein Hasenfuss wie ich oder meine Kollegen-Sensibelchen es schlicht nicht mehr gewohnt sind, unter so vielen Menschen zu sein.

Und so können wir Ihnen am Ende nicht mehr bieten, als eine kleine Umfrage, die beleuchten soll, was unsere Leser denken.

Umfrage
Sind die Züge zu voll?

Im Kreis der Kollegen steht der Fall jedoch fest: Gerade hat sich der Kollege gemeldet, der über Mittag von Volketswil nach Zürich gefahren ist. Er habe mit dem Auto «eeewig» lange auf die andere Seeseite gebraucht, warnt er mich vor.

Der Mitarbeiter glaubt, dass «wirklich viele Leute aufs Auto umgestiegen» seien, während die andere Kollegin stöhnt, wenn sie an den vollen Zug denkt, der sie von der Arbeit hier im Oberland wieder in die Stadt bringen soll.

Mal sehen, was mich auf meiner Rückfahrt erwartet – und wie lange sie dauern wird.