Gesetzeslücke trifft 65-Jährige hart Frau erbt Vermögen – und steht vor Gang aufs Sozialamt

toko

2.3.2024

Durch eine Lücke im Gesetz bekommen einzelne Rentner*innen keine Ergänzungsleistungen mehr.
Durch eine Lücke im Gesetz bekommen einzelne Rentner*innen keine Ergänzungsleistungen mehr.
Keystone/Christian Beutler

Sie kann ihr Erbe nicht antreten, dennoch werden einer 65-Jährigen  die Ergänzungsleistungen gestrichen, weil sie als vermögend gilt. Der Bundesrat jedoch will von einer Gesetzesänderung nichts wissen.

toko

2.3.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Einer 65-jährige Tessinerin werden Ergänzungsleistungen gestrichen, weil sie in den Augen der Behörden als vermögend gilt.
  • Das zugrunde liegende Erbe jedoch kann sie aufgrund eines hängigen Verfahrens nicht antreten. Ihr droht nun die Sozialhilfe, mit allen entsprechenden Nachteilen.
  • Der Bundesrat erteilt einer Anfrage von Nationalrätin Gabriela Suter jedoch eine Absage und verweist auf die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung.

Auf dem Papier vermögend — in der Realität jedoch droht die Sozialhilfe: Wegen einer Lücke im Gesetz können Rentern*innen schnell Probleme bekommen.

So wie die Tessinerin Silvia G.: Eigentlich hat sie von ihrem verstorbenen Sohn rund 150'000 Franken geerbt. Weil ihr Ex-Ehemann und ihre Tochter ihren Anspruch auf den Nachlass anfechten, kann sie diesen nicht antreten.

Gleichwohl gilt sie den Behörden als vermögend — und erhält daher keine Ergänzungsleistungen mehr. Auf diese jedoch sei sie angewiesen, um ihren Alltag zu bestreiten.

Missstand mit Folgen

Der Frau droht nun die Sozialhilfe, wie das Magazin «Beobachter» berichtet. Deren Ansätze jedoch sind deutlich tiefer als jene der Ergänzungsleistungen. Alleinstehende haben bei Letzterer einen Freibetrag von 30'000 Franken, müssen vor dem Bezug einer Sozialhilfe jedoch erst fast alle Ersparnisse aufbrauchen.

Mit diesem belastenden Problem ist Silvia G. nicht alleine. Die SP-Nationalrätin Gabriela Suter etwa ist bereits durch einen ähnlich Fall auf das Thema aufmerksam geworden und spreche von einem Missstand, der behoben werden müsse. 

Im Dezember hat Gabriela Suter einen entsprechenden Vorstoss im Nationalrat eingereicht. Ihr Vorschlag: Die Ergänzungsleistungen sollen als Vorschuss so lange weitergezahlt werden, bis Betroffenen ihr Erbe auch tatsächlich antreten können. Treffe das Geld ein, könnten die Erben den Vorschuss dann zurückzahlen.

«Die ganze Situation empfinde ich als sehr belastend»

Der Bundesrat will von dem Problem gleichwohl nichts wissen. In einer Antwort auf den Vorstoss räumt er zwar ein, dass «in gewissen Einzelfällen schwierige Situationen entstehen können». Doch um Ergänzungsleistungen auf Vorschuss zu gewähren, sei eine Gesetzesänderung notwendig. Der Bundesrat argumentiert ferner, es würde der Grundsatz verletzt, dass Ergänzungsleistungen nicht zurückgezahlt werden müssen und schreibt: «Die Rückforderung der Vorschüsse würde komplexe und bisweilen schwierige Verfahren nach sich ziehen. »

Die Nationalrätin will dem Bericht zufolge die anderen Fraktionen nun davon überzeugen, eine Gesetzesänderung zumindest prüfen zu lassen. Die Antwort des Bundesrates auf den Vorstoss könne sie nicht nachvollziehen. 

«Die ganze Situation empfinde ich als sehr belastend», sagt die frühere Hausfrau und Altenpflegerin dem «Beobachter». Sie habe sich ihre Pensionskasse auszahlen lassen, rund 40'000 Franken. Von diesen lebe sie nun, bis sie aufgebraucht seien und sie beim Sozialamt Hilfe beantragen könne.