Angst vor Long Covid«Selbst-Quarantäne wird nicht funktionieren, das ist Augenwischerei»
misc, sda
19.1.2022 - 12:09
Stimmen aus Wirtschaft und Politik fordern den Bundesrat dazu auf, die Massnahmen zu lockern. Ein Bündnis ziviler Organisationen will das Gegenteil: Um Langzeitfolgen zu minimieren, müsse ein deutlich strikterer Kurs gefahren werden.
misc, sda
19.01.2022, 12:09
19.01.2022, 12:40
uri/nbr
Anlässlich der Bundesratssitzung haben am Mittwoch fünf zivilgesellschaftliche Organisationen einen schärferen Kurs bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie gefordert. Es gelte, die Fallzahlen deutlich zu senken.
«Zahlen aus Südafrika zeigen, dass bei der Omikron-Variante Spitaleintritte wesentlich später erfolgen. Solange man nicht genau weiss, in welche Richtung es geht, ist die vorsichtige Seite ganz sicher die bessere», begründet Sprecher Peter Metzinger auf Anfrage von blue News.
Diese Massnahmen waren in der Konsultation:
Die geltenden Massnahmen wie 2G in Restaurants, 2G+ in Clubs und Homeoffice-Pflicht sollen bis Ende März verlängert werden.
Die Gültigkeit von Impfzertifikaten soll von 365 auf 270 Tage gekürzt werden. Gleiches soll für Zertifikate von Genesenen gelten.
Die mögliche Aufhebung der Quarantäneregeln.
An Universitäten und Fachhochschulen soll der Präsenzunterricht vorübergehend ausgesetzt werden.
Verschärfung der Maskenpflicht: Anpassung der Altersgrenze, Maskenpflicht im Freien oder an Grossveranstaltungen draussen.
Einschränkungen und Auflagen bei Grossanlässen.
Die Testpflicht bei der Einreise für geimpfte und genesene Personen soll wegfallen.
Der Zugang zu Corona-Tests soll priorisiert werden.
Auf das Ausstellen von Testzertifikaten nach einem negativen Antigen-Schnelltest soll verzichtet werden.
Ihre Haltung erklären die Organisationen vor allem mit den Schäden, die durch Langzeitfolgen von Covid-19-Erkrankungen für Wirtschaft und Gesellschaft entstehen. Auch kurzfristig verursache die aktuell hohe Inzidenz von über 4000 Fällen pro 100'000 Einwohnerinnen und Einwohnern hohe Kosten, etwa durch Arbeitsausfälle.
Niedriginzidenzstrategie gefordert
Eine Niedriginzidenzstrategie sei längerfristig besser geeignet, «gesundheitliche und volkswirtschaftliche Schäden zu minimieren», heisst es in der Mitteilung. Sie unterscheide sich von der bisherigen Strategie der Schweiz, indem bereits bei niedriger, jedoch steigender Inzidenz niederschwellige Massnahmen ergriffen würden.
Auf diese Weise könnten die langfristigen Gesundheitskosten aufgrund von Long-Covid-Erkrankungen gesenkt, eine Überlastung des Contact-Tracings und der Testlabore vermieden und generell eine bessere Planbarkeit erreicht werden, begründen die Organisationen.
Sorgen bereiten ihnen vor allem die Schulen: «Die Massnahmen gleichen einem Flickenteppich. Hier braucht es dringend einheitliche Regeln», sagt Metzinger. Das wichtigste Instrument sei repetitives Testen: «Das wird an Schweizer Schulen noch viel zu wenig gemacht.»
«Quarantäne muss von Behörden angeordnet werden»
Die Organisationen lehnen es ab, dass Quarantäne und Isolation künftig nicht mehr von den Behörden angeordnet werden sollen. Dazu sagt Peter Metzinger: «Eine Selbst-Quarantäne wird nicht funktionieren, das ist Augenwischerei. Die Quarantäne muss dringend von den Behörden angeordnet und geregelt werden». Basiere diese auf freiwilliger Basis, sei der soziale Druck viel zu gross, sich bereits früher aus der Quarantäne zu begeben.
Umfrage
Sollten die Corona-Massnahmen bis Ende März verlängert werden?
Kommunikationsexperte Peter Metzinger ist der Kopf des zivilgesellschaftlichen Komitees, das im Herbst 2021 für das Covid-19-Gesetz warb. Unterzeichnet wurde die Mitteilung ausserdem von den Organisationen «Protect the Kids», «Bildung aber sicher», «Sichere Schule» und «Kinder schützen jetzt».
Wirtschaft will Quarantäne ganz abschaffen
Die Vernehmlassung zu den Vorschlägen des Bundesrats hinsichtlich der Corona-Politik endete bereits am Montag. Kantone, Parteien und Verbände sprachen sich dabei mit grosser Mehrheit gegen Verschärfungen der Massnahmen aus. Eine Verlängerung der bestehenden Massnahmen wurde meist nur bis Ende Februar begrüsst, nicht wie vom Bundesrat vorgesehen bis Ende März.
Besonders Wirtschaftsverbände sprachen sich sogar für eine komplette Abschaffung der Quarantäne aus. Und weiter: «Die Verlängerung der Homeoffice-Pflicht ist nicht zielführend und reine Symbolpolitik», monierte etwa der Schweizerische Gewerbeverband (SGV).