Bern
"Unfertiger Rundumschlag", "gefährliche Pseudovorschläge", "schwerwiegende Massnahmen": Die vom Bundesrat vorgeschlagene grosse Revision der Fahrausbildung kommt nicht überall gut an. Viele Verbände pochen auf eine verschlankte Version.
Die Pläne des Bundes sind ambitioniert. Die 187 Seiten umfassende Vorlage setzt bei verschiedenen geltenden Verordnungen an. Es geht etwa um die künftige Praxis mit Nothilfekursen, Lehrfahrausweisen und Fahrprüfungen. Der Bundesrat schaute bei der Ausarbeitung des Projekts auch ins angrenzende Ausland, und er will viele EU-Vorschriften übernehmen.
In der am (heutigen) Donnerstag zu Ende gegangenen Vernehmlassung zeigt sich vor allem eines: Vorbehaltlos hinter alle Vorschläge stellt sich praktisch niemand. Dafür ist die Bandbreite der geplanten Änderungen zu gross.
Voreiliger Schritt
Den lautesten Widerstand gegen die Revision der Führerausweisvorschriften leistete in den vergangenen Wochen der Schweizerische Fahrlehrerverband. Dass der Bund nach wenigen Jahren die sogenannte Zweiphasenausbildung schon wieder anpassen will, sei unnötig und falsch, kritisiert er.
Die Schweiz erhalte für die Verkehrssicherheit von allen Seiten Bestnoten. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) solle deshalb mit klaren und begründeten punktuellen Vorschlägen kommen statt mit einem "unfertigen Rundumschlag".
Weniger statt mehr Sicherheit
Der im Entwurf vorgeschlagene Ersatz des zweiten Weiterbildungstages durch zwei Pflichtstunden beim Fahrlehrer sowie die vorgezogene Ausbildung ab 17 Jahren finden die Fahrlehrer gefährlich und folgenschwer: Sie prognostizieren "mehr Unfälle, mehr Verletzte und zunehmend wieder mehr Verkehrstote".
Die zweitägige Weiterbildung sei eine Chance, nachhaltig auf das Fahrverhalten von Neulenkern einzuwirken, schreibt der Verband. Zudem mache es keinen Sinn, rund 40'000 Junglenker mehr auf die Strassen zu lassen. Es gebe schon so genug Unfälle in der Altersgruppe der jungen Erwachsenen.
Automat ist nicht Handschaltung
Weniger ist mehr - dieser Meinung ist auch der TCS, der grösste Mobilitätsclub der Schweiz. Er setzt aber andere Prioritäten als der Fahrlehrerverband. So unterstützt er beispielsweise die Halbierung der Weiterbildungszeit und die vorgezogene Fahrausbildung.
Er lehnt dafür drei andere vom Bundesrat vorgeschlagene Massnahmen ab: die obligatorischen Einzellektionen bei einem Fahrlehrer zum Bremsverhalten und zum ökologischen Fahren; die Mindestfahrpraxis von zwölf Monaten für unter 25-Jährige vor der Zulassung zur Fahrprüfung und die Erlaubnis, handgeschaltete Autos zu fahren, wenn die Fahrprüfung auf einem "Automaten" absolviert worden ist.
Pro und Kontra Nothilfekurse
Auch umstritten ist die geplante Streichung der Nothilfekurse. Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) wehrt sich vehement. Für das Überleben eines Menschen am Unfallort seien die Massnahmen in den ersten paar Minuten entscheidend, argumentiert er. Wenn auch nur ein einziger Mensch dadurch gerettet werden könne, dass jemand einen Nothilfekurs absolviert habe, dann sei es den Aufwand wert, finden auch die Fahrlehrer.
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) pflichtet bei: Jedes Todesopfer im Strassenverkehr sei eines zu viel. "Deswegen ist es gut, wenn Autofahrende wissen, wie sie sich zu verhalten haben."
Das Nothelfer-Obligatorium für die Fahrprüfung sei nicht mehr zeitgemäss, schreibt dagegen die Vereinigung der kantonalen Strassenverkehrsämter (asa). Das Erste-Hilfe-Wissen solle darum nicht mehr praktisch geübt werden, sondern eventuell noch Bestandteil der Theorieprüfung sein.
Bundesrat entscheidet
Definitiv über die Revision entscheiden wird nun der Bundesrat. Erst dann lässt sich dann auch der genaue finanzielle und personelle Aufwand für Bund, Kantone und Verkehrsexperten beziffern.
Teile der Vorlage, die mit wenig Umstellungsaufwand für die zuständigen Vollzugsstellen verbunden sind, sollen ab Mitte 2019 in Kraft treten. Die übrigen Elemente sollen gemäss Plänen des ASTRA ab Anfang 2020 in Kraft treten.
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