Energie-Krise Stromkonzerne machen Gewinn und ernten Kritik

smi

4.9.2022

Dunkle Wolken am Strom-Horizont: Energieversorger stehen in der Kritik
Dunkle Wolken am Strom-Horizont: Energieversorger stehen in der Kritik
KEYSTONE

Im kommenden Jahr bezahlen viele Endverbraucher*innen massiv mehr für ihren Strom. Zugleich erzielen gewisse Energieversorger grosse Gewinne. SP und Grüne wollen diese Gewinne der Stromkonzerne abschöpfen.

smi

4.9.2022

Die einen ächzen unter den hohen Strompreisen, andere fahren damit fette Gewinne ein. Dass dies Kritik laut werden lässt, erstaunt nicht.

Die meisten Schweizer*innen bezahlen 2023 20 bis 30 Prozent mehr für die elektrische Energie, die sie von den Energieversorgern beziehen. Einige weniger, andere noch sehr viel mehr.

Gleichzeitig verdienen zurzeit gewisse Energieunternehmen, die den gefragten Strom zu hohen Preisen verkaufen können, sehr viel Geld. Denn die Erzeugung elektrischer Energie ist beispielsweise in einem Wasserkraftwerk nicht teuer geworden.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat deshalb im «Blick» zu Überlegungen angeregt, was mit «Übergewinnen» geschehen soll, wenn es gleichzeitig Haushalte und Gewerbebetriebe gebe, welche von den stark gestiegenen Strompreisen hart getroffen würden.

SP will den Strommarkt komplett umbauen

Noch weiter geht der SP-Energiepolitiker Roger Nordmann. Für ihn ist der liberalisierte Strommarkt gescheitert, die Schweizer Strompreise hätten seit 20 Jahren nichts mehr mit den effektiven Gestehungskosten zu tun, sagt er der Sonntagzeitung.

Die Energieversorger haben in dieser Zeit gemäss Nordmann billigen Strom vom internationalen Energiemarkt in der Schweiz mit Gewinn verkauft. Dabei hätten sie es unterlassen, in den Ausbau der teureren inländischen Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu investieren. 

Die Folge davon lässt sich aus den Stromtarifen 2023 herauslesen: Energieversorger, die viele eigene Kraftwerke betreiben und nur wenig Strom einkaufen, heben die Tarife nur leicht an. Beispiele dafür sind die Elektrizitätswerke Zürich und das Elektrizitätswerk Nidwalden, welche beide nur 4 Prozent mehr für die Kilowattstunde Strom verlangen.

Das extreme Gegenbeispiel liefert die Aargauer Gemeinde Oberlunkhofen, welche sich im Strommarkt verspekulierte und ihren Einwohner*innen nun einen Aufschlag von 263 Prozent erklären muss.

Nordmann leitet aus der aktuellen Situation mit drohendem Strommangel und explodierenden Preisen die Forderung ab, den Strommarkt unverzüglich komplett umzugestalten. Man müsse die Stromlieferanten dazu zwingen, die wertvolle Strominfrastruktur «im Sinne des Allgemeininteresses und nicht zur Profitmaximierung zu bewirtschaften und auszubauen», so Nordmann in der Sonntagszeitung.

In der Herbstsession werde die SP eine dringliche Interpellation einreichen, welche die Totalrevision des Strommarktgesetzes fordere. Die zentralen Punkte sind: «Übergewinne» sollen von den Energieunternehmen eingezogen und für die Verbilligung von Strom genutzt werden. Energieversorger sollen Strom zu effektiven Gestehungskosten an einen Pool liefern. Aus diesem können sich Unternehmen versorgen, die für ihre Tätigkeit besonders viel Strom brauchen. Drittes Element ist ein Spekulationsverbot für Schweizer Energieversorger. 

Wirtschaftsverbände und Gewerbe sind sich uneins

Auch Martin Hirzel, Präsident von Swissmem, dem Verband der Elektro- und Maschineninudstrie, stört sich an den Gewinnen der Stromkonzerne, wie der «Blick» herausgefunden haben will. Der Verband führe direkte Gespräche mit Energieversorgern, wie diese notleidende Firmen unterstützen können.

Schweizer KMU können gemäss geltendem Strommarktgesetz entscheiden, ob sie sich auf dem freien Markt mit der elektrischen Energie eindecken, die sie brauchen oder diese aus der Grundversorgung beziehen; wie Privathaushalte erhalten sie den Strom vom lokalen Energieversorger. Das Gesetz sieht vor, dass wer einmal in den freien Markt gewechselt hat, nicht in die Grundversorgung zurückkehren kann. «Einmal frei, immer frei» lautet das Prinzip.

Diese Regel wollen der Gewerbeverband und Gastrosuisse aufheben. Auch sie argumentieren mit überrissenen Gewinnen, welche die Stromversorger aufgrund des drohenden Mangels erzielten. Deshalb soll es Firmen in Not erlaubt sein, wieder Strom zu Grundversorgungspreisen zu beziehen. 

Beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hält man wenig von diesem Vorhaben, genauso wie von einer Beschränkung der Gewinne, welchen Energieunternehmen durch den SP-Vorstoss drohen. 

Kantone sind gegen Strompreisdeckel und haben eine Idee

Auch Roberto Schmidt, Präsident der Energiedirektorenkonferenz, sieht die Forderung des Gewerbes kritisch. Die Unternehmen, welche ihren Strom im freien Markt kaufen, hätten während Jahren von tiefen Preisen profitiert. Auch deshalb hätten die Schweizer Energieversorger, allen voran die Betreiber von Wasserkraftwerken, ihre Energie bisweilen mit Verlust verkaufen müssen. Gleichwohl hält er nichts von einem Strompreisdeckel.

Schmidt warnt aber die Stromkonzerne davor, ihre hohen Gewinne als Dividenden auszuzahlen. Das würde wohl zu Unmut in der Gesellschaft führen, prophezeit er im Blick. Er empfiehlt, dass die Energieversorger die Gewinne in den Ausbau der erneuerbaren Energienutzung in der Schweiz investierten. 

Nationalrat Jürg Grossen (GLP, Bern) tut sowohl eine Begrenzung der Stromtarife als auch eine Abschöpfung der Gewinne der Energieversorger als realitätsfremde populistische Forderungen ab. Es sei nicht praktikabel, wie Krisengewinne von normalen Gewinnen unterschieden werden sollten, führt er im Blick aus. Für Grossen steht nun Energiesparen im Mittelpunkt.