Mitglieder der Landesregierung werden in der Regel im Amt bestätigt. So dürfte es auch bei der heutigen Gesamterneuerungswahl des Bundesrats sein. Unmittelbar vor der Wahl gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Angriff der Grünen auf die FDP Erfolg haben könnte.
Angeblich werden die letzten Absprachen jeweils in der Nacht vor der Bundesratswahl im Hotel Bellevue getroffen. Politikerinnen und Politiker, Lokalprominenz, Medien und Zaungäste belagern dann Lobby und Bar des Berner Luxushotels. Je später der Abend, desto mehr rückt die Bundesratswahl in den Hintergrund. Die legendäre «Nacht der langen Messer» ist längst zum Event für «Tout Berne» geworden.
Fraktionen beziehen Stellung
Nach kurzer Nachtruhe kommt um 8 Uhr die Vereinigte Bundesversammlung im Nationalratssaal zusammen. Zunächst gibt es Fraktionserklärungen. Das live zugeschaltete Fernsehpublikum wird noch einmal die Argumente für die aktuelle Zauberformel und für die eine oder andere der zahlreichen Varianten zu hören bekommen.
Erklären müssen wird sich insbesondere Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli (ZH). Er wird erläutern müssen, warum seine Fraktion Anspruch auf einen Sitz in der Regierung erhebt und dafür einen amtierenden Bundesrat angreift.
Die Auswirkung der Erklärungen wird sich in Grenzen halten. Die Meinung der Mehrheit scheint bereits gemacht: SVP und FDP haben sich klar für den Status quo ausgesprochen. Die Mehrheit der Mitte-Fraktion aus CVP, BDP und EVP dürfte die amtierenden Mitglieder der Landesregierung ebenfalls wiederwählen. Die drei bürgerlichen Fraktionen haben Rytz nicht einmal zu einem Hearing eingeladen, was als klare Absage zu verstehen ist.
Die Grünliberalen haben am Dienstag keine Wahlempfehlung abgegeben. Selbst wenn sich die Fraktion geschlossen hinter die Grünen-Präsidentin stellen würde, reichte es nicht für die Wahl. Sicher sind Rytz nur die Stimmen der Linken. Die SP hatte sich am Dienstagnachmittag ohne Gegenstimme für die Kandidatin der Grünen ausgesprochen. Es brauche eine neue Zauberformel, erklärte SP-Fraktionschef Roger Nordmann.
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Damit scheint der Angriff auf den Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis zum Scheitern verurteilt. Doch bevor die Entscheidung fällt, werden andere wiedergewählt. Der Aussenminister steht in der Anciennität, die die Reihenfolge der Wahlen bestimmt, an fünfter Stelle. Als Erstes wird der Amtsälteste, der amtierende Bundespräsident Ueli Maurer, wiedergewählt. Gröbere Störmanöver sind nicht zu erwarten.
Simonetta Sommaruga, die an zweiter Stelle steht, könnte hingegen einige Stimmen einbüssen. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) hatte angedroht, die SP-Bundesrätin aus der Regierung zu werfen, um den arithmetisch begründeten Anspruch der Grünen zu befriedigen. Rein rechnerisch ist die SP mit zwei Sitzen heute nämlich fast ebenso übervertreten wie die FDP.
In seiner Fraktion hatte Aeschi für einen Angriff auf Sommaruga jedoch keine Mehrheit gefunden. Trotzdem könnte das eine oder andere Fraktionsmitglied ein Zeichen setzen wollen und Rytz die Stimme geben.
Vor Cassis sind auch Alain Berset (SP) und Guy Parmelin (SVP) an der Reihe, danach folgen die CVP-Vertreterin Viola Amherd sowie Karin Keller-Sutter von der FDP. Sie alle dürfen – Stand vor der Wahl – mit einer problemlosen Wiederwahl rechnen.
Diskussion um Departementsverteilung
Auch wenn die Zusammensetzung des Gremiums unverändert bleibt, steht die Verteilung der Departemente nach der Gesamterneuerungswahl zur Disposition. In der Regel bewegen sich die Bundesrätinnen und Bundesräte nicht, doch es gibt Ausnahmen. Entscheiden wird der Gesamtbundesrat in einer der nächsten Sitzungen.
Üblicherweise äussern die Mitglieder ihre Wünsche nach der Anciennität, also nach dem Dienstalter. Ihre Pläne verraten sie jeweils nicht vorab. Aktuell werden Innenminister Alain Berset Ambitionen auf das Aussendepartement nachgesagt. Sollte der 47-Jährige nach der Zeit im Bundesrat eine internationale Karriere starten wollen, wäre es der richtige Schritt.
Diskussion um Zauberformel
Unabhängig vom Ausgang der Bundesratswahlen und der Departementsverteilung wird die Verteilung der Bundesratssitze auch in den nächsten Jahren zu reden geben. Die Öko-Parteien GLP und Grüne spielen seit den letzten Wahlen in der gleichen Liga wie die Traditionsparteien FDP und SP.
Wird die Konkordanz weitergeführt, müssen sie mittelfristig in die Regierungsverantwortung einbezogen werden. Die von Nordmann favorisierte Zauberformel mit je zwei Sitzen für SVP und SP sowie je einem für FDP, CVP und Grüne ist nur eine Variante.
Am Wochenende hatte CVP-Präsident Gerhard Pfister in einem Interview mit den CH-Media-Zeitungen eine Änderung des Wahlsystems gefordert. Dank einer Amtszeitbeschränkung soll es mehr Vakanzen und dadurch auch mehr Gelegenheiten geben, den Wählerwillen abzubilden.
Gewinner und Verlierer der eidgenössischen Wahlen
Sie ist die strahlende Siegerin der Wahlen: Grünen-Präsidentin Regula Rytz. Ihre Partei kann den Wähleranteil mit 13,2 Prozent verdoppeln, sie ist erstmals stärker als die CVP.
Auch GLP-Chef Jürg Grossen gehört zu den grossen Gewinnern: Seine Partei gewinnt ebenfalls massiv Wähleranteile hinzu und voraussichtlich neu Sitze zusätzlich erhalten.
SVP-Präsident Albert Rösti ist der grösste Verlierer der Wahlen vom Sonntag: Seine Partei büsst zwölf Sitze im Nationalrat ein. Und auch Petra Gössis FDP muss Verluste hinnehmen, wenn auch in geringerem Mass: minus vier Sitze im Nationalrat.
Immerhin ein kleiner Trost für Rösti: Er wurde mit den meisten Stimmen in den Nationalrat gewählt. 128'252 Stimmen konnte der landesweite Stimmenkönig auf sich vereinen.
Christian Levrat muss gleich zwei Niederlagen verkraften: Zum einen büsst seine SP Wähleranteile und damit vier Sitze im Nationalrat ein, zum anderen kann er seinen Ständeratssitz im Kanton Freiburg nicht im ersten Anlauf verteidigen.
Zu den grossen Verlierern zählt die BDP – im Kanton Graubünden hat Duri Campell seinen Sitz verloren, und auch in anderen Kantonen büsste die Partei Sitze ein. Damit kommt die Partei, die sich einst von der SVP abgespaltet hat, künftig nicht mehr auf Fraktionsstärke.
Eine eigentliche Sensation schaffte Mathias Zopfi im Kanton Glarus: Der 35-jährige Grüne gewinnt das Rennen um einen Sitz im Ständerat gegen den amtierenden SVP-Politiker Werner Hösli.
Und gleich noch eine Überraschungssiegerin der Grünen: Céline Vara zieht für den Kanton Neuenburg in den Ständerat ein. Der Sitzgewinn der 35-Jährigen Politikerin geht zulasten der SP.
Freuen kann sich auch Magdalena Martullo-Blocher: Die SVP-Frau kann ihren Bündner Nationalratssitz problemlos verteidigen. Ihr Parteikollege Heinz Brand dagegen verliert sein Mandat in der grossen Kammer.
Monika Rüegger heisst die strahlende Siegerin der SVP im Kanton Obwalden: Sie holt für ihre Partei nach acht Jahren den Sitz im Nationalrat zurück, zudem ist sie die erste Frau, die der Innerschweizer Kanton nach Bern schickt.
Mit Hans-Ulrich Bigler, hier ein Archivbild, verpasst ein prominenter FDP-Vertreter die Wiederwahl: Der Präsident des Gewerbeverbands fällt nach vier Jahren wieder aus der grossen Kammer.
Auch bei der SP hat der Sitzverlust bekannte Namen getroffen, allem voran Gewerkschafter Corrado Pardini. Der Nationalrat, auch hier auf einem Archivbild, hat die Wiederwahl verpasst.
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