Brauereien unter Druck«Haben die Leute verlernt, zusammen das Leben zu feiern?»
mmi
25.1.2023
In Deutschland droht Bierbrauereien das Aus wegen gestörter Lieferketten und horrender Energiekosten. In der Schweiz ist die Lage zwar angespannt, aber nicht aussichtslos.
mmi
25.01.2023, 18:58
26.01.2023, 15:48
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7.50 Euro statt 4.80 Euro für einen halben Liter Bier – diesen massiven Preisaufschlag für ein kühles Blondes von fast 80 Prozent fürchtet Stefan Fritsche, Vizepräsdent des Berliner Brauereiverbands und Geschäftsführer der Klosterbrauerei Neuzelle.
Der Grund: Die Energiekrise und Materialengpässe wegen gestörter Lieferketten lassen die Produktionskosten für Bier so stark in die Höhe schnellen, dass diese an die Konsument*innen weitergegeben werden müssen.
Die gestiegenen Preise gepaart mit der Inflation würden die Kunden nicht mehr mitmachen, sagt Stefan Fritsche in der «Bild» und befürchtet das Aus vieler Brauereien. Fritsches Berufskollegen schildern der Zeitung Ähnliches.
Und in der Schweiz? Müssen die Konsument*innen hierzulande auch bald tiefer in die Tasche greifen für eine Stange?
Laut Christoph Lienert vom Schweizer Brauerei-Verband (SBV) sei die wirtschaftliche Lage der Brauereien auch in der Schweiz angespannt.
Heizen, vergären und kühlen – das braucht viel Energie
Das Bierbrauen verbrauche viel Energie. Denn beim Brauen muss die Maische (Gerste und Wasser) erhitzt und die Bierwürze gekocht werden. Je nach Bier-Stil müsse das Bier anschliessend unterschiedlich kühl vergoren und gelagert werden, erklärt der stellvertretende Direktor auf Anfrage von blue News. Das Abfüllen sowie die Logistik seien ebenfalls energieintensiv, so Lienert.
Auch wenn die Brauereien alle möglichen Massnahmen zum Energiesparen und -optimieren aus eigenem Interesse verfolgen, schlagen die äusserst volatilen Energiepreise auf die Rentabilität der Brauereien durch. «Das ist egal, ob es eine Gross- oder Mikrobrauerei ist», sagt Lienert.
Unberechenbare Lieferfristen
Erschwerend komme für die Brauereien hinzu, dass Rostoffe, Verpackung und Gebinde knapp seien wegen unberechenbarer Lieferfristen. Man merke, dass diese Mangellage den heimischen Brauereien grosse Sorgen bereite, sagt Lienert. Auch wenn sich die Liefer- und Preissituation in absehbarer Zeit nicht entspanne, will Lienert aber nichts von einem Brauereisterben wissen.
Eine nicht-repräsentative Umfrage bei zehn Brauereien in der ganzen Schweiz bestätigt Lienerts Aussagen. Die Brauerei Uster schreibt etwa, weil es momentan viel schwieriger sei, Rohstoffe und Material zu beschaffen, müsse besser geplant werden, kurzfristige Verfügbarkeiten könnten nicht mehr gewährleistet werden. Deshalb müssten die Brauereien ihre Preise erhöhen, sprich: auch die Preise für die Abnehmer wie die Gastronomie oder die Konsumenten.
Auch die im bernischen Interlaken ansässige Rugenbräu-Brauerei hat beim Beschaffen der Glasfarbe neue Hürden zu überwinden. Zurzeit könne es vorkommen, dass Konsument*innen das Rugenbräu-Bier anstatt aus einer grünen Flasche neu aus einem Braunglas trinken müssen. Auch die gestiegenen Energiekosten spürt die Brauerei stark, schreibt Remo Kobluk, Geschäftsführer von Rugenbräu.
Einen ganz anderen Aspekt bringt die Solothurner Bierbrauerei Öufi auf: Noch schlimmer als die höheren Energie- und Rohstoffpreise treffe sie eine Art Lähmung des sozialen Lebens, schreibt Alex Künzle von Öufi und fragt: «Haben die Leute verlernt, zusammen das Leben zu feiern?» Die Brauerei hoffe auf das Beste und glaube an die Zukunft als regionale Bierbrauerei.
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