SP-Kandidatinnen in Luzern «Ich würde Parmelin sagen, dass er mit anpacken muss»

Von Alex Rudolf und Christian Thumshirn, Luzern

22.11.2022

«Niemand ist eindeutige Favoritin»

«Niemand ist eindeutige Favoritin»

Die Ständerätinnen Eva Herzog (BS) und Elisabeth Baume-Schneider (JU) sowie die Berner Regierungsrätin Evi Allemann präsentieren sich der SP-Basis im Luzerner Neubad. Wen sehen die Besucher*innen als Nachfolgerin von Energieministerin Sommaruga?

21.11.2022

Die drei Bundesratskandidatinnen der SP präsentierten sich in Luzern dem Volk. Nach wochenlanger Geschlechterdebatte konnten Elisabeth Baume-Schneider, Eva Herzog und Evi Allemann – endlich – über alles andere reden.

Von Alex Rudolf und Christian Thumshirn, Luzern

22.11.2022

Der Pool im Luzerner Kulturzentrum Neubad ist gefüllt. Nicht mit Wasser, aber mit SP-Mitgliedern, Journalist*innen und Bundesratskandidatinnen. Am Montagabend steigen die beiden Ständerätinnen Eva Herzog (BS) und Elisabeth Baume-Schneider (JU) sowie die Berner Regierungsrätin Evi Allemann in den Ring – oder ins Bassin.

Sie alle wollen die Besucher*innen des Anlasses von sich überzeugen. Denn am kommenden Samstag entscheidet die SP-Fraktion, wen sie für die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga nominiert.

«Was ist Ihr extravagantestes Hobby? Hat jemand einen Pilotenschein?», fragt Moderator David Roth, Mitglied des SP-Vizepräsidiums. Damit spielt er auf den Irrflug von Gesundheitsminister Alain Berset an, der im Sommer die Medien dominierte.

SP zeigt ihre Kandidatinnen

An vier Podiums-Diskussionen stellen sich die Kandidatinnen für die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga der Öffentlichkeit vor. Weitere solche Hearings finden heute Dienstag in Lausanne, am Mittwoch in Zürich und am Donnerstag in Liestal statt. Hier alle Informationen.

Bei den drei Kandidatinnen muss sich das Co-Präsidium Mattea Meyer und Cédric Wermuth kaum derlei Sorgen machen. Sie koche und häkle gern, sagt Baume-Schneider, und Allemann versichert, sie sei ganz brav. Herzog ergänzt, sie sei in einer Frauengruppe, mit der sie Ausflüge mache, was aber nicht sonderlich extravagant sei.

Heute würde man leichter Klima-Mehrheiten finden

Eines der brennendsten Themen im Bundesrat: das Klimadossier. Wo würden die Kandidatinnen den Hebel anlegen, wenn sie Sommarugas Umweltdepartement UVEK erben würden, will Roth wissen. Baume-Schneider lobt den von Sommaruga eingeschlagenen Weg. «Ich würde Guy Parmelin sagen, dass er auch mit anpacken muss», sagt sie und erntet Lacher aus dem Publikum.

«Ich würde Guy Parmelin sagen, dass er auch mit anpacken muss.»

Elisabeth Baume-Schneider

SP-Ständerätin Jura

Herzog verweist darauf, dass die Ablehnung des Co2-Gesetzes eine Katastrophe gewesen sei. «Dass es so langsam vorwärtsgeht, liegt weder an uns noch an den Grünen», sagt die Baslerin. Denkbar seien für sie weitere Lenkungsabgaben und eine Pflicht, alte Heizungen zu ersetzen. «Heute dürfte es einfacher sein, Mehrheiten zu finden als vor dem Krieg in der Ukraine.»

Vor rund 200 Personen stellen sich die Kandidatinnen den Fragen von David Roth. Er ist ehemaliger Präsident der Juso und aktuell im Vizepräsidium der Partei.
Vor rund 200 Personen stellen sich die Kandidatinnen den Fragen von David Roth. Er ist ehemaliger Präsident der Juso und aktuell im Vizepräsidium der Partei.
Bild: Keystone/Michael Buholzer

Allemann ihrerseits unterstreicht ihre Erfahrungen aus der Regierung des Kantons Bern: Hier sei man auf Kurs, was die Förderung von Wasserkraft angehe. Und auch der Bau von Fotovoltaik-Anlagen müsse rasch geschehen: «Simonetta Sommaruga hat hier hervorragende Arbeit geleistet.»

Roadshow bleibt im Hinterkopf

Eine solche öffentliche Roadshow mag ungewöhnlich sein für die Schweizer Politik, neu ist sie aber nicht: Zuletzt waren es die Freisinnigen, die im Vorfeld zur Wahl von Ignazio Cassis auf dieses Vehikel setzten. Der heutige Aussenminister hatte damals Auftritte mit – oder besser: gegen – die Konkurrenten Isabelle Moret und Pierre Maudet. Und auch im Vorfeld zur Wahl von Didier Burkalter kam es schon zu einzelnen Auftritten von ihm und seinem damaligen Konkurrenten, dem Genfer Christian Lüscher.

Und was bezweckt die SP mit dieser Diskussionsrunde? Zum einen sei es selbstverständlich, dass die ganze Bevölkerung die zukünftigen Bundesrät*innen treffen könne, um sie kennenzulernen. «Gleichzeitig bietet es auch die Möglichkeit, SP-Politiker*innen die eigene Präferenz mitzuteilen», erklärt SP-Sprecher Clément Borgeaud. Denn natürlich besuchen auch SP-Parlamentarier*innen die Anlässe. «Die National- und Ständerät*innen werden auch die Auftritte im Kopf haben, wenn sie am Samstag auswählen, wer auf das SP-Ticket kommt», so Borgeaud.

«Dass von den Entscheiden des Gremiums so viele Menschen betroffen sind, davor habe ich Respekt.»

Eva Herzog

SP-Ständerätin Basel-Stadt

Im Luzerner Neubad werden derweil die Beziehungen zur EU, die Neutralität der Schweiz und die anstehende Revision der zweiten Säule besprochen. Wer sich darauf gefreut hatte, dass sich die Kandidatinnen in ihren Haltungen unterscheiden, wurde aber enttäuscht. So liegen alle drei stramm auf Parteikurs.

Wovor haben Sie den grössten Respekt am Mandat?

Erfrischend sind die Fragen aus dem Publikum. Ein Mann will etwa wissen, was am Bundesrats-Mandat den Frauen am meisten Respekt einflösse. «Dass von den Entscheiden des Gremiums so viele Menschen betroffen sind, davor habe ich Respekt», sagt Herzog ohne zu zögern. Allemann pflichtet bei und ergänzt um die Verantwortung für viel Personal sowie das Leben im Fokus der Öffentlichkeit. Baume-Schneider zeigt grossen Respekt vor der Demokratie und dass man alle Entscheide immer gut begründen müsse.

Wer wird nächste Bundesrätin? Eva Herzog, Elisabeth Baume-Schneider und Evi Allemann (v. l.) – hier beim Hearing am 21. November 2022 in Luzern – sind Anwärterinnen auf das Amt.
Wer wird nächste Bundesrätin? Eva Herzog, Elisabeth Baume-Schneider und Evi Allemann (v. l.) – hier beim Hearing am 21. November 2022 in Luzern – sind Anwärterinnen auf das Amt.
Bild: Keystone/Michael Buholzer

Egal, wer Sommarugas Nachfolge antritt: Als Linke ist man in der Landesregierung in der Unterzahl. Wie die Kandidatinnen damit umgehen werden, will ein anderer Besucher wissen. «Ich erlebe dies jeden Mittwoch an den Sitzungen des Regierungsrates», sagt Allemann. Doch hält sie fest: «Nur wenige Themen sind hyper-ideologisch und Diskussionen in Exekutiven sind oft pragmatisch.»

«Nur wenige Themen sind hyper-ideologisch und Diskussionen in Exekutiven sind oft pragmatisch.»

Evi Allemann

SP-Regierungsrätin Bern

Auch Herzog und Baume-Schneider sagen, sie könnten seit drei Jahren im Ständerat üben, wie man verliere. «Man darf sich aber nicht als Opfer sehen», erklärt Baume-Schneider. Den Fokus solle man darauf legen, wo man viel bewirken könne.

Nach gut anderthalb Stunden endet die Diskussion im Pool. Wer am Ende obenauf schwimmt, zeigt sich am Samstag, wenn die SP-Kommission über das Ticket entscheidet.

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