Hilfsbereiter Regierungsrat Pierre Maudet verschaffte libanesischem Bankier Schweizer Pass

mmi

23.1.2023

Hat der ehemalige Genfer FDP-Regierungsrat Pierre Maudet seine Macht missbraucht? Neue Erkenntnisse deuten darauf hin.
Hat der ehemalige Genfer FDP-Regierungsrat Pierre Maudet seine Macht missbraucht? Neue Erkenntnisse deuten darauf hin.
Keystone

Der Genfer Ex-Regierungsrat Pierre Maudet hat einem libanesischen Banker zum Schweizer Pass verholfen – obwohl gleich zwei Mitarbeitende darauf hingewiesen hatten, dass der Bewerber die Kriterien nicht erfüllt.

mmi

23.1.2023

Erneut steht Pierre Maudet in den Schlagzeilen. Diesmal jedoch nicht wegen seiner Luxusreise nach Abu Dhabi oder weil er andere Geschenke während seiner Amtszeit angenommen hätte.

Diesmal gibt zu reden, dass der ehemalige Genfer Regierungsrat einem libanesischen Bankier 2015 zur Schweizer Staatsbürgerschaft verholfen hat. Obwohl zwei Mitarbeitende darauf hingewiesen hatten, dass der Bewerber die gesetzlichen Auflagen für einen Schweizer Pass gar nicht erfülle.

Maudet schien wenig beeindruckt. Denn  Recherchen des «Tages-Anzeiger» zeigen, wie der ehemalige Genfer Sicherheitsdirektor dem Bankier 2015 zur Einbürgerung verhalf.

Wenn Probleme sich in Luft auflösen

Der Libanese arbeitete für mehrere Jahre in Genf, wo er in Kreisen verkehrte, die wiederum enge Kontakte zu Maudet unterhielten. Nach einem Abstecher ins Ausland kehrte der Bankier in die Schweiz zurück. Diesmal nach Schwyz, mit der Absicht die Schweizer Staatsbürgerschaft zu beantragen.

Maudet und der Bankier F.F. kannten sich nicht nur aus der Zeit in Genf. Auf Empfehlung hin hatte Maudet F. F. im Frühjahr 2015 in seiner Delegation nach Dubai mitgenommen, um für den Wirtschaftsstandort Genf zu werben. Denn der Bankier kenne die Vereinigten Arabischen Emirate wie seine Westentasche.

In Dubai wurde auch erstmals über die Luxusreise nach Abu Dhabi gesprochen, die Maudet im November 2015 antreten würde – derentwegen das Bundesgericht Maudet im vergangenen November letztinstanzlich wegen Vorteilsannahme verurteilt hat.

Zwischen Dubai und Abu Dhabi kam im Sommer 2015 Bewegung in das Einbürgerungsdossier von F.F. 

«... schlage ich vor, dass Sie Ihren Einbürgerungsantrag vor diesem Datum stellen ...»

Maudet selbst teilte F.F. in einer E-Mail mit, dass er die Kriterien eines Einbürgerungsgesuchs nicht erfülle und empfahl im selben Schreiben: «Angesichts der vom Bundesparlament verabschiedeten Gesetzesänderung, die am 1.1.2017 in Kraft treten wird, schlage ich vor, dass Sie Ihren Einbürgerungsantrag vor diesem Datum stellen (...) also im nächsten Sommer in Genf, indem Sie Ihre Papiere hierhin verlegen.» Maudet würde es F.F. auch persönlich erklären.

Nach einem weiteren Treffen zwischen dem Genfer Sicherheitsdirektor Maudet und dem Bankier teilte ein Stabsmitarbeiter Maudet mit, dass die betroffene Person nicht berechtigt sei, einen Einbürgerungsantrag zu stellen. Denn F.F. hätte mindestens 12 Monate vor dem Antrag in Genf leben müssen. Jedoch habe ein Departements-Kollege dem Stabsmitarbeiter «am Telefon eine Reihe von Techniken erläutert, mit denen sich dieser Zeitraum von 12 Monaten verkürzen lässt.»

Plötzlich ging alles ganz schnell

Um welche Techniken es geht, geht aus den Dokumenten und Recherchen nicht hervor. Jedoch würde man sich seitens Departement darum kümmern, sein Einbürgerungsdossier «innert Kürze» zu behandeln, schreibt Maudets Mitarbeiter an F.F.

«Sie haben immer so gute Neuigkeiten für mich.»

Der ist begeistert von den Genfer Dienstleistungen und schreibt in einer E-Mail: «Sie haben immer so gute Neuigkeiten für mich. Genau aus diesem Grund wende ich mich stets an Sie!» Der wiederum versicherte ihm, dass F.F. sich um nichts mehr kümmern müsse, und sich bei Anliegen ungeniert melden solle.

Von da an lief die Genfer Einbürgerungsmaschinerie heiss. Anstatt der langen Einbürgerungsprozedur erhielt F.F. innert kürzester Zeit, am 15. März 2017, das Genfer Bürgerrecht. 

Im Gegenzug zapften die Genfer Libanesen, in deren Umfeld auch Bankier F.F. verkehrt, ihre Kontakte ins Königshaus nach Abu Dhabi an. So verschafften sie dem damaligen Regierungsrat, seiner Familie und seinem Stabschef die Luxusreise im November 2015.

Viele offene Fragen

Der Fall lässt viele Fragen offen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) erklärt auf Anfrage des «Tages-Anzeiger», dass es zu Einzelfällen keine Auskunft geben könne. Allgemein gelte jedoch, dass sich das SEM bei einer Beurteilung jeweils auf die offiziellen Angaben und Dokumente der Kantone stütze. Also auch bei der gesetzlich vorgeschriebenen Aufenthaltsdauer für eine Einbürgerung.

Warum Maudet grünes Licht für die Einbürgerung gab, obwohl sie gemäss Mitarbeitern nicht möglich war und inwiefern dieser Entscheid mit der Vorteilsannahme im Zusammenhang steht, teilte der Politiker lediglich mit: «Individuelle Einbürgerungsdossiers fallen unter das Amtsgeheimnis». Der Antwort beigelegt ist ein Gesuch Maudets, ihn vom Amtsgeheimnis zu entbinden. Was damit geschieht, ist unklar. 

Und Bankier F.F.? Der liess über seinen Anwalt verlauten, dass er weder von direkten noch indirekten Unterstützungsmassnahmen seitens Maudets in Zusammenhang mit seiner Einbürgerung wisse. Auch habe Maudet ihm niemals einen entsprechenden Auftrag erteilt oder ihm irgendwelche Gegenleistungen versprochen oder gewährt, so der Anwalt.