«Franzosen-Einfall» Vor 225 Jahren kapitulierte Bern vor den Truppen Napoleons

Stefan Michel

5.3.2023

Gefecht der Franzosen gegen die Berner auf der Sensebrücke bei Neuenegg am 4. März 1798.;
Gefecht der Franzosen gegen die Berner auf der Sensebrücke bei Neuenegg am 4. März 1798.;
Francois Aloys Muller, Umrissradierung

Am 5. März 1798 kapitulierte Bern als erstes Mitglied der Alten Eidgenossenschaft vor den Truppen Frankreichs. Napoleons Truppen fegten das «Ancien Régime» hinweg und legten den Grundstein für die moderne Schweiz.

Stefan Michel

5.3.2023

Der Kampf der Berner Truppen ist kurz und verlustreich. Am 28.1. 1798 fällt eine 35'000 Mann starke französische Streitmacht ein, 20'000 Berner stellen sich ihnen entgegen, verloren am 3. März bei Lengnau, Grenchen und Twann. Einen Tag später dankt die Berner Regierung ab, dennoch versuchen Berner Truppen ein letztes Mal, den französischen Vorstoss im Grauholz zu stoppen. Auch dies ohne Erfolg.

700 Berner lassen im aussichtslosen Versuch, die französische Übermacht zu besiegen ihr Leben. Wie viele Opfer die französischen Truppen zu beklagen haben, wird nie bekannt. 

Napoleon ist zu jener Zeit einer von mehreren Generälen und beim Feldzug auf die Eidgenossenschaft nicht dabei. Er bereitet die Angriffe auf England und Ägypten vor. Die Macht über Frankreich wird er 1799 in einem Putsch erlangen. 

Bern verliert Staatsschatz

Am 5. März 1798 übergeben Berner Unterhändler dem französischen General Alexis Balthasar Henri Antoine von Schauenburg die Kapitulationsurkunde. Das mächtigste Mitglied der Eidgenossenschaft hat sein Gebiet Frankreich überlassen.

Die Franzosen bringen darauf den Berner Staatsschatz in ihren Besitz. Dieser ist von enormem Wert, da Bern seit zwei Jahrhunderten in weitreichenden Gebieten Steuern eintreibt. Ein Historiker hat errechnet, dass dieser Schatz heute über 600 Milliarden Franken wert wäre, hätte Bern diesen in den 225 Jahren gewinnbringend anlegen können. Und auch die Berner Bären bringen die Franzosen 1798 als Trophäen nach Paris.

Schon vor dem kurzen Abwehrkampf Berns gegen Frankreich haben sich im Januar die Regierungen Basels und Luzern den Invasoren unterworfen. Im Februar beugen sich Zürich und Schaffhausen. In der Waadt, in Basel und weiteren Orten verstehen lokale Gruppen den Einfall der Franzosen als Chance, die Aristokratie loszuwerden, die die Eidgenossenschaft bis dahin im Griff hat. 

Besatzer ohne Gnaden

Die Eidgenossenschaft hat mit ihren Alpenübergängen strategische Bedeutung. Der Berner Staatsschatz, ebenso die Zürcher Stadtkasse und weitere Schatullen gelten aber ebenso als Beweggrund für die Besetzung. Denn Frankreich braucht Geld für die Eroberungsfeldzüge der folgenden Jahrzehnte.

Eine neue Frankreich treue Regierung ruft im April die Helvetische Republik aus. Doch die Innerschweizer Stände Schwyz, Nidwalden und Uri weisen die neue Verfassung zurück und wehrten sich gegen die Besatzung.

Besonders teuer bezahlten die Nidwaldner ihren Widerstandswillen. In einer eigentlichen Bestrafungsaktion besetzen französische Truppen Stansstad und töten hunderte Menschen, darunter auch Frauen und Kinder.

Moderne Verfassung

So grausam der Franzosen-Einfall verlaufen ist, profitiert die Schweiz letztlich davon. Das Ancien Régime, eine aristokratische Oberschicht, muss abdanken, eine moderne Verfassung nach Vorbild der Französischen Revolution tritt in Kraft. Die meisten der heutigen Kantonsgrenzen – unter anderem der ganze Kanton Aargau – sind das Werk der Helvetischen Republik.

Werte wie Rechtsgleichheit (wenn auch nicht für Frauen), Souveränität des Volkes und Gewaltentrennung kommen erst mit der helvetischen Verfassung in die Schweiz. Noch während die französischen Truppen Kanton um Kanton besetzen und neue Regierungen einsetzen, entlassen noch nicht eroberte Stände Untertanengebiete in die Unabhängigkeit.

Scheitern des helvetischen Experiments

Doch letztlich bildet Paris in der Schweiz einen Zentralstaat nach französischem Vorbild und unter seiner Hoheit. Und nicht zuletzt haben die neuen Kantone den neuen Herren Tribute zu zahlen und die in der Helvetischen Republik stationierten französischen Truppen zu versorgen.

Die politische und gesellschaftliche Neuordnung beginnt in den foldgenden Jahren mehr und mehr zu stocken – neben inneren Machtkämpfen auch  weil als Folge von Plünderungen und Abgaben an Frankreich das Geld fehlt um neue Strukturen aufzubauen. Frankreich stemmt sich nur halbherzig gegen das Scheitern des helvetischen Experiments.

Die von Napoleon 1803 unterzeichnete Mediationsakte besiegelt das Ende der Helvetischen Republik. Die Schweizerische Eidgenossenschaft bleibt aber noch bis 1813 unter französischer Hoheit.