Skeptiker erklären sich Impfwoche? Ohne uns

Von Gil Bieler

8.11.2021

Nicht alle wollen sich in der Impfkampagne des Bundes einspannen lassen. Im Bild: Eine Demonstration gegen die Corona-Massnahmen zieht durch Winterthur.
Nicht alle wollen sich in der Impfkampagne des Bundes einspannen lassen. Im Bild: Eine Demonstration gegen die Corona-Massnahmen zieht durch Winterthur.
Bild: Keystone

Nationale Impfwoche hin oder her, manche sehen immer noch keinen Grund für eine Corona-Impfung. Drei von ihnen erklären, wieso sie auf die Spritze verzichten – und der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri antwortet. 

Von Gil Bieler

8.11.2021

Vom Impfdorf am Zürcher Hauptbahnhof bis zu Open-Air-Konzerten von Baschi und Sophie Hunger: Bund und Kantone lassen nichts unversucht, um während der nationalen Impfwoche den ungeimpften Teil der Bevölkerung doch noch umzustimmen.

Über 64 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind mittlerweile vollständig geimpft, weitere 2 Prozent haben eine erste Dosis erhalten. Bei der Bevölkerung über zwölf Jahren sind über 75 Prozent geimpft. Im internationalen Vergleich sei das aber ein tiefer Wert, beklagt der Bund.



Dennoch wollen sich viele nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. blue News wollte von drei Skeptiker*innen wissen, warum sie sich dagegen entschieden haben. Rudolf Hauri, Präsident der Kantonsärzte-Vereinigung, versucht seinerseits, Überzeugungsarbeit zu leisten. 

Eva*, 38, Serviceangestellte aus St. Gallen

«Die ganze Pandemie ist mit viel sozialem Druck verbunden, das fing schon mit der Maskenpflicht an. Und jetzt ist der Druck, sich impfen zu lassen, sehr gross. Ich habe eine Corona-Impfung nie kategorisch ausgeschlossen, war zu Beginn einfach skeptisch und wollte abwarten. Mittlerweile habe ich mich aber für den Weg ohne Impfung entschieden. Was auch nicht immer angenehm ist. Ich muss mich oft erklären, im Geschäft bin ich fast die Einzige, die mit Maske arbeitet. Es gibt Freunde, die meinen Entscheid nicht akzeptieren wollen – auch damit muss man lernen umzugehen. Dabei sollte es doch eine freie Entscheidung sein.

Ich bin überhaupt keine Impfgegnerin, habe mich auch gegen andere Krankheiten impfen lassen. Aber eine Corona-Impfung würde ich Stand heute nur machen lassen, um diesem Druck nachzugeben. Mit Überzeugung hätte das nichts zu tun. Wenn später doch noch Nebenwirkungen auftreten, würde ich mir das nie verzeihen – und auch nicht jenen, die mich überredet haben.

Vielleicht würde ich anders denken, wenn in meinem Umfeld mehr Corona-Fälle aufgetreten wären, wer weiss, aber für mich stimmt das Gefühl einfach nicht. Und gegen mein Gefühl handeln, das will ich nicht.»

*Name geändert

Das antwortet Kantonsarzt Hauri

Zur Person
Rudolf Hauri, Praesident der Vereinigung der Kantonsaerztinnen und Kantonsaerzte spricht waehrend einer Medienkonferenz des Bundesrates zur aktuellen Lage im Zusammenhang mit dem Coronavirus, am Freitag, 16. Oktober 2020. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Keystone

Rudolf Hauri ist Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte und Kantonsärztinnen der Schweiz.

«Die epidemische oder pandemische Verbreitung eines Krankheitserregers führt naturgemäss zu gesellschaftlichem Druck. Ob das nun ein Coronavirus, ein HI-Virus, ein anderes Virus oder auch ein Bakterium wie die Erreger etwa von Lepra oder Tuberkulose ist. Diese so bezeichneten übertragbaren Krankheiten betreffen eben nicht nur eine einzelne Person, sondern breiten sich in der Gesellschaft aus. Deshalb ist der Schutz vor solchen Krankheiten nicht eine Frage des Individuums, sondern der Bevölkerung.

Die Impfung und damit die Immunisierung gegen übertragbare Krankheiten sind zusammen mit der Hygiene das beste Mittel, mit übertragbaren Krankheitserregern in Kontakt zu kommen, ohne die schädigenden Auswirkungen der von ihnen verursachten Krankheit durchzumachen. Während allfällige unerwünschte Nebeneffekte der Impfung sehr schnell auftreten, sind Langzeitfolgen der durchgemachten Krankheit erst sehr viel später, unter Umständen erst nach Jahren, belegbar.»

Franziska, 30, Naturheilpraktikerin aus Graubünden

«Ich hatte Corona, im Dezember letzten Jahres. Sonst bin ich eigentlich nie krank, Fieber habe ich sowieso nie. Aber Corona hat mich zehn Tage lang richtig umgehauen. Ich hatte 38,5 Grad Fieber, was für mich schon extrem hoch ist, hartnäckigen Husten, Hals- und Kopfweh, das volle Programm. Das habe ich mit meinen Naturheilmitteln selber auskuriert.

In den Tagen danach habe ich mich extrem schlapp gefühlt, und damals liess ich mich auch von der Massenpanik in den Medien mitreissen. Aber mit der Zeit habe ich mich wieder gefangen und heute muss ich sagen: Vielleicht habe ich mein Immunsystem auch mit den ganzen Massnahmen geschwächt, und nur darum konnte das Virus überhaupt erst eindringen. Immer Maske tragen und die Hände desinfizieren, das ist ja nicht normal.

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Als Genesene sage ich mir: Ich brauche keine Impfung. Ich habe vor Kurzem auch einen Antikörpertest gemacht, der gute Werte angezeigt hat. Ich bin dankbar, hat mein Immunsystem diese Krankheit so gut bewältigt und vertraue darauf, dass ich geschützt bin.»

Das antwortet Kantonsarzt Hauri

«Die Massnahmen haben das Immunsystem nicht geschwächt, denn sie haben nicht zu einer sterilen Umwelt geführt und tun das auch nicht. Der angegebene Krankheitsverlauf zeigt, dass eine Infektion mit dem Coronavirus auch bei einer jungen, in Bezug auf das Virus nicht immunen Person einen ausgeprägten Verlauf nehmen kann.

Auch ein allgemein gutes Immunsystem kann einen spezifischen Krankheitserreger nicht einfach neutralisieren. Es muss diesen zuerst «kennenlernen», was ausser bei der Impfung eben über einen Kontakt mit dem Virus und dann nicht vorhersehbarem Krankheitsverlauf geschieht.

Die Impfung ist also nichts anderes, als dem Immunsystem ein wesentliches Merkmal des Virus beizubringen, ohne den Körper den krankmachenden Eigenschaften des Virus auszusetzen. Mit dieser Beschreibung des Virus ist das Immunsystem dann in der Lage, bei einem tatsächlichen Kontakt mit dem Virus derart schnell zu reagieren, dass es nicht oder kaum zu Krankheitserscheinungen kommt.

Die aktuelle Studienlage zeigt, dass Personen nach einer Genesung tatsächlich einen guten Schutz vor einer erneuten Infektion haben. Es gibt aber dennoch Fälle, die sich ein zweites Mal infizieren und erneut starke Symptome haben. Eine Impfung wird also auch nach Genesung empfohlen.»

Samuel, 35, Ernährungsberater und Mentalcoach aus Graubünden

«Ich lasse mich aus mehreren Gründen nicht impfen. Erstens: Viren stärken das Immunsystem, zumindest bei Menschen mit einem gesunden Lebensstil. Und ich selber lebe gesund, was Ernährung und Bewegung angeht.

Zweitens glaube ich nicht, dass das Virus für mich schädlich ist. In meiner früheren WG hatten wir Corona-Fälle, aber obwohl wir weiterhin ganz normal zusammengelebt haben, habe ich mich nicht infiziert. Und im letzten Jahr musste ich mehrere Antigen-Tests machen, die alle negativ waren – obwohl ich gar nicht auf die ganzen Massnahmen achte. Ich hätte also ein relativ hohes Ansteckungsrisiko. Das zeigt mir, dass ich mir das Virus gar nicht einfangen kann oder dass mein Körper es von sich aus abwehren kann.

Drittens bin ich Impfungen gegenüber skeptisch eingestellt, da diese zu Verklumpungen im Blut führen. Das sieht man in Dunkelfeldanalysen, aber darüber spricht man nicht, damit habe ich Mühe.

Und viertens lasse ich mich jetzt auch aus Prinzip nicht mehr impfen, weil mir das ganze System, das hier aufgebaut wird, nicht passt. Das ist eine Art von Zweiklassengesellschaft, wenn man sich seine Grundrechte erimpfen lassen muss. Da mache ich nicht mit.»

Das antwortet Kantonsarzt Hauri

«Die Impfung stellt keine Zweiklassengesellschaft dar, da sich grundsätzlich jede Person impfen lassen kann. Zumindest gilt das für Personen über 12 Jahre. Um sich mit dem Virus anstecken zu können, braucht es mehrere Faktoren: etwa genügende Virenkonzentration, aktive Viren, Kontakt mit den Schleimhäuten der oberen Atemwege. Auch bei einem hohen Ansteckungsrisiko heisst das deshalb nicht, dass man sich zwingend ansteckt.

Je mehr respektive häufiger man aber solchen Risiken ausgesetzt ist, desto eher wird man sich tatsächlich anstecken, auch bei einem reaktiven Immunsystem. Wie der Krankheitsverlauf dann sein wird, lässt sich im Einzelfall nicht vorhersagen.

Die unerwünschten Nebenerscheinungen der Impfung werden genau überwacht und analysiert. Das ist Aufgabe von Swissmedic in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Bisher wurde festgestellt, dass es sehr selten zu im allgemeinen wenig ausgeprägten «Blutverklumpungen» kommen kann. Das ist viel seltener und auch weniger stark, als das beim natürlichen Verlauf einer Ansteckung mit dem Coronavirus ohnehin der Fall ist.»