Neue Grundeinkommen-Initiative «Armut und übertriebener Reichtum sind unvernünftig»

SDA/uri

21.9.2021

Oswald Sigg, ehemaliger Bundesratssprecher, war bereits Unterstützer der Initiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen». 
Oswald Sigg, ehemaliger Bundesratssprecher, war bereits Unterstützer der Initiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen». 
Bild: Screenshot Medienkonferenz

2016 wurde die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen an der Urne abgeschmettert. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Idee wieder Aufwind – der jetzt zu einem zweiten Versuch führt.

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Vor fünf Jahren entschied sich das Stimmvolk deutlich gegen das bedingungslose Grundeinkommen. Inzwischen ist die Idee zurück. So kam bereits Mitte Juli in der Stadt Zürich eine Initiative zustande, wonach mindestens 500 Personen während dreier Jahre ein Grundeinkommen erhalten sollen.

Auch auf nationaler Ebene soll das Grundeinkommen jetzt wieder Fahrt aufnehmen. Ab dem 21. September sammelt die Initiative «Leben in Würde – Für ein finanzierbares bedingungsloses Grundeinkommen» Unterschriften.

Das Ziel der Initiative sei dabei die Existenzsicherung für alle, das Menschenrecht auf ein Leben in Würde und Selbstbestimmung zu garantieren und bisher unbezahlte Arbeit wertzuschätzen, wie das Initiativkomitee am Dienstag bekannt gab.



Erreicht werden soll dies mit einer Änderung von Artikel 110 der Bundesverfassung. Das Grundeinkommen soll demnach allen in der Schweiz niedergelassenen Menschen gewährleistet werden. Es gehe dabei um die «Sicherung und Weiterentwicklung der bestehenden Sozialwerke, unserer Demokratie und unseres Wohlstandes», sagte die Filmemacherin Rebecca Panian.

Ein Gesetz soll die Höhe und den Bezug des Grundeinkommens sowie dessen Finanzierung regeln. An der Medienkonferenz war die Rede von einem Betrag von 2500 Franken, wie bereits bei der ersten Initiative.

Entschleunigung notwendig

Durch die Corona-Krise sei die Einführung eines Grundeinkommens wieder hochaktuell geworden. Der frühere Bundesratssprecher Oswald Sigg, der bereits im Komitee der ersten Initiative sass, sagte «blue News» dazu bereits im April: «Wann, wenn nicht jetzt?»

Durch die zunehmende Belastung durch Stress und Ängste sei eine Entschleunigung nötig. «Wir leben in einer extrem unruhigen Zeit und Welt», so Sigg heute.

Spätestens mit Beginn der Pandemie und ihrem nicht absehbaren Ende sei klar geworden, dass eine Gesellschaft nötig sei, die eine fürsorgliche Welt aufbaue. «In Zeiten der Corona- und Klimakrise ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Menschen und Natur unerlässlich. Dafür braucht es eine Wirtschaft für die Menschen und nicht, dass Menschen für die Wirtschaft da sind», sagte Sigg.

Das Volksbegehren stelle die Würde des Menschen in den Vordergrund und nicht einfach das Geld. «Alle haben Anspruch auf ein gutes Leben. Ein würdiges Leben ist von Vernunft geprägt, Armut und übertriebener Reichtum sind unvernünftig»; sagte Sigg weiter.

Würdigung der Care-Arbeit

Mit dem Grundeinkommen werde die für die Gesellschaft unerlässliche, familiäre und ausserfamiliäre Betreuungsarbeit sowie die Freiwilligenarbeit endlich gewürdigt, hiess es. Diese Arbeit werde grösstenteils von den Frauen geleistet und vom Bruttosozialprodukt nicht erfasst. «Deshalb können wir so tun, als ob es kein Leistung wäre, wenn Menschen ihre Kinder aufziehen oder dementen Angehörigen pflegen», sagte Elli von Planta, ehemalige Präsidentin der UBS-Arbeitnehmervertretung sowie der Sozialkonferenz Basel.

Die Menschen in der Schweiz würden mehr unbezahlte als bezahlte Arbeit leisten. Somit sei der Bereich Care- und Freiwilligenarbeit der grösste Wirtschaftszweig in diesem Land. «Mit einem Grundeinkommen von 2500 Franken wären die wenigsten Mütter und betreuende Angehörigen bezahlt, aber immerhin wäre der Anteil gewürdigt, den sie an die Gesamtleistung des Landes beitragen», sagte sie.

Google, Apple & Co zur Kasse beten

Beim zweiten Anlauf will das Komitee nun deutlicher auf die Finanzierung des Grundeinkommens eingehen. Die Einnahmen sollen vor allem von den bestehenden Steuereinnahmen und Sozialwerken stammen. Zusätzlich sollen insbesondere der Finanzsektor sowie Tech-Unternehmen und digitale Grosskonzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon Geld beisteuern. Diese hätten bis anhin keine angemessenen Steuern gezahlt, argumentiert das Komitee.

Ein erster Anlauf für ein bedingungsloses Grundeinkommen war im Juni 2016 an der Urne mit 76,9 Prozent Nein-Stimmen wuchtig verworfen worden. Damals sprachen die Initianten von einem Betrag von 2500 Franken pro Monat für jeden Erwachsenen und 625 Franken für jedes Kind, was gemäss Berechnungen des Bundes 208 Milliarden Franken gekostet hätte.