Gipfel in Samarkand Darum sucht das Nato-Land Türkei die Nähe von China und Russland

von Herbert Aichinger

16.9.2022

Auf dem Gipfel der Shanghai Cooperation Organization (SCO) im usbekischen Samarkand treffen sich vom 15. bis 16. September Repräsentanten der Staaten China, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Pakistan, Tadschikistan, Usbekistan, Afghanistan, Belarus, Iran und der Mongolei zum gemeinsamen Gedankenaustausch. 
Auf dem Gipfel der Shanghai Cooperation Organization (SCO) im usbekischen Samarkand treffen sich vom 15. bis 16. September Repräsentanten der Staaten China, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Pakistan, Tadschikistan, Usbekistan, Afghanistan, Belarus, Iran und der Mongolei zum gemeinsamen Gedankenaustausch. 
EPA/FOREIGN MINISTRY OF UZBEKISTAN/KEYSTONE

Der SCO-Gipfel in Samarkand sendet beunruhigende Signale in Richtung Westen. Neben Russland wollen auch einige Staaten im Nahen Osten enger mit China zusammenarbeiten.

von Herbert Aichinger

Samarkand war einst eine bedeutende Metropole an der Seidenstrasse.

Es ist kein Zufall, dass sich China, Russland und andere asiatische Staaten zurzeit gerade dort treffen, um ihre bestehende Allianz weiter zu vertiefen. 

Impressionen aus der Stadt Samarkand in Usbekistan, dem Schauplatz des 22. Gipfeltreffens der  Shanghai Cooperation Organization (SCO), an dem vom 15. bis 16. September nicht nur der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Staatschef Xi JinPing, sondern auch Vertreter aus nahöstlichen Staaten wie der Türkei und dem Iran zusammentreffen. 
Impressionen aus der Stadt Samarkand in Usbekistan, dem Schauplatz des 22. Gipfeltreffens der  Shanghai Cooperation Organization (SCO), an dem vom 15. bis 16. September nicht nur der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Staatschef Xi JinPing, sondern auch Vertreter aus nahöstlichen Staaten wie der Türkei und dem Iran zusammentreffen. 
EPA/FOREIGN MINISTRY OF UZBEKISTAN/KEYSTONE

Auf dem 22. Gipfel der Shanghai Cooperation Organization (SCO)in der usbekischen Stadt festigen der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Staatschef Xi Jinping ihre Beziehung. Auffällig ist ausserdem, wie viele Staaten aus dem Nahen Osten daran interessiert sind, in der SCO ebenfalls eine aktive Rolle zu spielen.

Organisation repräsentiert 40 Prozent der Weltbevölkerung

Gegründet wurde die Shanghai Cooperation Organization bereits im Jahr 2001 – damals mit dem Ziel, die politische Stabilität zwischen den Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Dabei handelte es sich zunächst um einen Zusammenschluss von China, Russland, Indien, Pakistan, Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan.

Im Lauf der Zeit übernahm die SCO weitere Aufgabengebiete in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Energie, Transport, Kultur und Tourismus sowie im Kampf gegen Terrorismus, Separatismus und Extremismus. Heute vertritt die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung und ist zur grössten Regionalorganisation der Welt angewachsen.

Putin umwirbt asiatische Mächte und Märkte

China und Russland haben in der SCO seit jeher eine dominierende Rolle gespielt, und so verwundert es nicht, dass sich Wladimir Putin angesichts der westlichen Sanktionen aufgrund des Ukraine-Kriegs noch intensiver Richtung Osten orientiert.

China ist für Putin als Bündnispartner einerseits interessant, um die eigene Einflusssphäre nach Asien hin zu erweitern, und andererseits, um die arg ramponierte Wirtschaftskraft seines Landes wieder zu stärken.

Wladimir Putin (links) in einem Gespräch mit dem chinesischen Staatsoberhaupt Xi Jinping (rechts) am Rande des SCO-Gipfels in Samarkand am 15. September.
Wladimir Putin (links) in einem Gespräch mit dem chinesischen Staatsoberhaupt Xi Jinping (rechts) am Rande des SCO-Gipfels in Samarkand am 15. September.
EPA/ALEXANDR DEMYANCHUK / SPUTNIK / KREMLIN POOL/KEYSTONE

So soll das Bruttoinlandprodukt der russischen Wirtschaft im zweiten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum laut nationalem Statistikamt um 4 Prozent gesunken sein. Für das dritte Quartal prognostiziert die russische Notenbank einen Rückgang um 7 Prozent.

Inwieweit Russland für China unter diesen Umständen ein attraktiver Partner sein kann, ist derzeit schwer abzuschätzen.

Was will Erdogan in Samarkand?

Neben Putin und Jinping reichen sich auf dem SCO-Gipfel aber auch noch andere Gäste die Hände. Mit von der Partie: der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der mit dem russischen Staatschef offiziell über Getreidelieferungen reden will.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau treffen in Samarkand ein, um am 22. Gipfel der Shanghai Cooperation Organization (SCO) teilzunehmen. 
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau treffen in Samarkand ein, um am 22. Gipfel der Shanghai Cooperation Organization (SCO) teilzunehmen. 
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Anscheinend geht es ihm aber um mehr: Er hat Interesse der Türkei an einem Beitritt zur Shanghai-Organisation signalisiert. Pikant dabei ist, dass die Türkei – selbst Nato-Mitglied – in eine Organisation will, die von westlichen Beobachtern als Bollwerk gegen die Nato wahrgenommen wird.

Neben Belarus und Afghanistan möchten auch Nahost-Staaten wie Saudi-Arabien, Katar und Ägypten Dialogpartner der SCO werden. Und die Vereinigten Arabischen Emirate streben gar möglichst schnell eine volle Mitgliedschaft an.

Usbekistan: Wladimir Putin trifft Chinas Staatspräsident Xi

Usbekistan: Wladimir Putin trifft Chinas Staatspräsident Xi

Treffen in Usbekistan. Der russische Präsident Wladimir Putin und Chinas Staatspräsident Xi Jinping sind am Donnerstag in der Stadt Samarkand zu einem persönlichen Gespräch zusammengekommen. Anlass war der Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit.

16.09.2022

Iran wird vollwertiges Mitglied der SCO

Die Verbindungen von Teheran zur Shanghai Cooperation Organization reichen schon sehr lange zurück. Der Iran hat sich bereits vor 15 Jahren um eine Mitgliedschaft in der SCO beworben und steht jetzt kurz vor dem Ziel: Der iranische Aussenminister Hussein Amirabdollahian unterzeichnete bereits vor dem Gipfel in Samarkand eine Erklärung, mit der sein Land nach Jahren im Beobachterstatus der SCO nun als vollwertiges Mitglied beitritt.

Der Präsident der Republik von Usbekistan, Shavkat Mirziyoyev (rechts), empfängt den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi zum Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organization (SCO) in Samarkand. 
Der Präsident der Republik von Usbekistan, Shavkat Mirziyoyev (rechts), empfängt den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi zum Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organization (SCO) in Samarkand. 
Foreign Ministry of Uzbekistan via AP/KEYSTONE

Die Bemühungen Teherans um neue Bündnispartner dürften zumindest teilweise auch durch den Streit mit dem Westen über das iranische Atomprogramm begründet sein. Aber auch alte und neue Sanktionen der USA mögen einen Anlass dazu bieten. Der iranische Staat hat ein Interesse daran, sich aus der politischen und wirtschaftlichen Isolation durch den Westen zu befreien.

Cyber-War zwischen dem Iran und den USA

Erst jüngst hat die US-Regierung erneut Sanktionen gegen drei iranische Staatsangehörige erlassen, die wohl im Zeitraum zwischen Oktober 2020 und August 2022 mit Ransomware-Attacken Opfer in den USA, Grossbritannien, Israel und dem Iran selbst ins Visier genommen hatten.

In den USA waren unter anderem regionale Stromversorger in den Bundesstaaten Mississippi und Indiana, eine Wohnungsbaugesellschaft, diverse Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und eine Rechtsanwaltskammer von den Angriffen betroffen. Die US-Regierung bringt in ihrer Verlautbarung die Cyber-Kriminellen in Verbindung mit den iranischen Revolutionsgarden.

Hackerangriffe liefern seit vielen Jahren Gründe für Sanktionen

Auch die USA haben in der Vergangenheit Hackerangriffe gegen den Iran ausgeführt – etwa 2019 nach dem Abschuss einer US-Aufklärungsdrohne: Damals griffen die Amerikaner iranische Computer zur Steuerung von Raketen und Lenkwaffen sowie ein Spionagenetzwerk zur Beobachtung von Schiffen in der Strasse von Hormus an.

Bereits 2010 beschuldigte Teheran die USA, iranische Atomanlagen durch einen Angriff mit dem Stuxnet-Computervirus lahmgelegt zu haben.

Wie ist die Orientierung des Nahen Ostens nach Asien aus westlicher Sicht zu bewerten?

Das Washington Institute kommentiert zurückhaltend: Die einzelnen Mitglieder der SCO würden recht unterschiedliche Interessen verfolgen und seien teilweise auch untereinander zerstritten. Innerhalb der SCO zähle jedoch das Einvernehmen. Die Organisation würde demnach mehr als ein Forum für Diskussion und Engagement fungieren und nicht als formelle regionale Allianz ähnlich der Nato oder der Europäischen Union.

China-Experte Bernhard Bartsch, Leiter External Relations beim MERICS Mercator Institute for China Studies, sieht es auf Anfrage von blue News ähnlich: «Pekings Diplomaten werben im Nahen Osten – und nicht nur dort – seit langem intensiv dafür, sich Chinas internationalen Initiativen anzuschliessen, darunter die Belt and Road Initiative, neuerdings die Global Security Initiative und die Global Development Initiative und eben auch die Shanghai Cooperation Organization.»

Laut Bartsch schliesst ein Engagement dieser Länder in der SCO eine Beteiligung in westlichen Allianzen nicht aus: «Viele Länder geben dem chinesischen Werben nach. Das ist aber nicht unbedingt ein exklusives Bündnis. Manche Regierungen wollen sich gute Beziehungen in alle Richtungen offenhalten. Bei der Belt and Road Initiative haben wir gesehen, dass einige Länder zunächst einen Schritt auf China zugehen und im nächsten Schritt wieder mit westlichen Staaten verhandeln.»