Am 9. Februar 2020 entscheidet das Stimmvolk über die Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm. Diese soll neu auch vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung schützen. Der Bundesrat und das Parlament empfehlen ein Ja.
Wer als Individuum wegen seiner sexuellen Orientierung verbal oder physisch angegriffen wird, kann sich schon heute strafrechtlich wehren. Der Aufruf zu Hass gegen «die Homosexuellen» aber kann nicht bestraft werden. Der Bundesrat teilt die Auffassung des Parlaments, dass sich das ändern soll, wie Justizministerin Karin Keller-Sutter am Dienstag vor den Medien in Bern sagte.
Mit den sozialen Medien sei die Hemmschwelle gesunken, und es sei für Hetzer einfacher geworden, sich Gehör zu verschaffen, stellte sie fest. Ein Ja wäre ein Signal: «Wir halten die Meinungsäusserungsfreiheit hoch, aber diese ist kein Freipass für Hetze und Diskriminierung.»
Bundesgericht zurückhaltend
Die Meinungsäusserungsfreiheit werde weiterhin grosses Gewicht haben, betonte Keller-Sutter. Die 25 Jahre Erfahrung mit der Anti-Rassismus-Strafnorm hätten gezeigt, dass das Bundesgericht diese zurückhaltend anwende.
Die Bestimmung schützt heute vor Diskriminierung und Aufruf zu Hass wegen der Rasse, Ethnie oder Religion. Wer dagegen verstösst, riskiert eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Das wäre künftig auch bei Diskriminierung wegen Homo-, Hetero- oder Bisexualität der Fall.
Stammtischgespräche erlaubt
Strafbar wären aber – wie bei Rassismus – nur öffentliche Äusserungen oder Handlungen. Zudem müssten diese die Menschenwürde «krass» verletzen, wie Keller-Sutter sagte. Das Verhalten müsste überdies vorsätzlich sein.
Stammtischgespräche und Witze blieben erlaubt, ergänzte Beat Rieder (CVP/VS), der Präsident der ständerätlichen Rechtskommission. Auch das Zitieren aus der Bibel wäre weiterhin zulässig – wenn auch nicht, um zu Hass und Diskriminierung aufzurufen.
Würde schützen
Die Meinungsäusserungsfreiheit sei ein hohes Gut, aber sie gelte nicht absolut, sagte Rieder. Die Gesellschaft lebe auch von Toleranz. Und die Bundesverfassung halte fest, dass die Würde des Menschen zu achten und zu schützen sei.
Dass die Gegnerinnen und Gegner von einem «Zensurgesetz» sprächen, sei nicht neu. Sie hätten schon bei der Einführung der Anti-Rassismus-Strafnorm behauptet, das sei das Ende der Meinungsäusserungsfreiheit. Die Gerichtsurteile hätten aber klar gezeigt, dass dem nicht so sei.
Gerichte entscheiden
Bestraft werden könnte künftig unter Umständen auch, wer einem homosexuellen Paar wegen dessen Homosexualität eine Leistung verweigert, etwa eine Hotelübernachtung. Würde ein Hotelier religiöse Gründe geltend machen, könnte er sich aber eventuell auf die Religionsfreiheit berufen.
Martin Dumermuth, der Direktor des Bundesamts für Justiz, machte klar, dass die Gerichtspraxis in solchen Fällen entscheidend ist. Bisher gebe es zur Anti-Rassismus-Strafnorm keine betreffend verweigerter Leistungen, sagte er. Das zeige auch, dass die Frage in der Praxis kaum relevant sei.
Auf verbale folgt physische Gewalt
Verbreitet sind dagegen verbale Angriffe gegen Homosexuelle, wie Laurence Fehlmann Rielle (SP/GE), die Präsidentin der nationalrätlichen Rechtskommission feststellte. Oft folge auf die verbale die physische Gewalt, gab sie zu bedenken. Allein das sei ein Grund, dagegen vorzugehen.
Fehlmann Rielle wies ferner auf die Rate von Suiziden und Suizidversuchen hin, die bei homosexuellen Jugendlichen höher ist als bei heterosexuellen. Es handle sich um eine verletzliche Gruppe. Deshalb sei es wichtig, dass sie gleich behandelt werde wie andere Gruppen, die von Diskriminierung betroffen seien. Es brauche ein strafrechtliches Instrument.
Gegen die vom Parlament beschlossene Änderung des Strafgesetzbuchs hatten Vertreterinnen und Vertreter der Eidgenössisch-Demokratischen Union sowie der Jungen SVP das Referendum ergriffen.
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