«Verstoss gegen Menschenrechte»Nun spannen Jungparteien gegen das Antiterrorgesetz zusammen
SDA/aka
7.10.2020
Ein Frontalangriff auf den Rechtsstaat – das ist das verschärfte Antiterrorgesetz für mehrere Jungparteien. Besonders störend sei auch, dass damit bereits Kinder ab zwölf Jahren elektronische überwacht werden können.
Die Eidgenössischen Räte haben in der Herbstsession eine Verschärfung der Terrorismus-Strafnorm beschlossen. Diese stellt das Anwerben, die Ausbildung und Reisen im Hinblick auf einen Terrorakt unter Strafe. Die Beteiligung an einer terroristischen Organisation wird auf die gleiche Stufe gestellt wie die Beteiligung an einer kriminellen Organisation, die Höchststrafe beträgt in beiden Fällen zehn Jahre.
Verschiedene Jungparteien sehen dies als Frontalangriff auf den Rechtsstaat und haben jetzt das Referendum gegen das Gesetz ergriffen.
Das Referendumskomitee, bestehend aus den Jungen Grünen, den Juso, den Jungen Grünliberalen, der Piratenpartei und dem Chaos Computer Club, kritisierte am Mittwoch in Bern, dass die im Gesetz vorgesehenen weitreichenden Massnahmen gegen potenzielle Terroristen (Gefährder) die Grundrechte und die Freiheit jedes Einzelnen schwer einschränkten.
Um als Terrorist oder Terroristin zu gelten, müsste man neu weder einen Terrorakt planen noch ausführen, stellte Tobias Vögeli, Co-Präsident der Jungen Grünliberalen Schweiz, gemäss Redetext fest. Ein entsprechender Verdacht der Polizei würde ausreichen, um Massnahmen wie Hausarrest (bis zu neun Monate), Ausreiseverbote, Meldepflicht oder Fussfesseln anzuordnen.
Laut Jorgo Ananiadis, Co-Präsident der Piratenpartei Schweiz, führt «die absurd schwammige Formulierung im Gesetz» dazu, dass praktisch jeder bisher unbescholtene Bürger zu einem terroristischen Gefährder werden könnte.
Das Gesetz sehe beispielsweise Hausarrest vor, der ohne konkrete Straftat aufgrund einer Einschätzung als Gefährder verordnet werden könne, stellte Nicola Siegrist, Vizepräsident der Juso, fest.
Das Gesetz verstosse damit gegen Artikel 5 der europäischen Menschenrechtskonvention mit dem Recht auf Sicherheit und Freiheit. Die Massnahmen gingen über die Prävention hinaus. Sie seien bereits eine Bestrafung, ohne dass eine Straftat begangen oder eine Verurteilung ausgesprochen worden sei.
Die Polizei könne zudem mit dem neuen Terrorismusgesetz selbstständig über Massnahmen entscheiden, die normalerweise einer gerichtlichen Überprüfung bedürften, sagte Ana Martins, Co-Präsidentin Jungen Grünliberalen.
Bereits Kinder ab zwölf Jahren im Visier
Besonders stossend für das Referendumskomitee ist, dass das Gesetz eine ganze Reihe von Polizeimassnahmen beinhaltet, die bereits gegen Kinder ab zwölf Jahre (respektive 15 Jahren beim Hausarrest) angewendet werden können. Dazu gehören die Pflicht zur Teilnahme an Befragungen, Kontaktverbote, elektronische Überwachung, Standortverfolgung über Mobiltelefone oder auch das Verbot, das Land zu verlassen.
Das Gesetz verstosse damit gegen die Kinderschutzkonvention der Uno, kritisierte Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen Schweiz. Kinderrecht zu verletzen, sei aber keine Massnahme gegen Terrorismus, sondern ein Verbrechen.
Kritik auch von Uno-Experten
Vor rund drei Wochen hatten bereits der Uno-Berichterstatter über Folter, der Schweizer Nils Melzer, und vier weitere unabhängige Uno-Experten für Menschenrechte festgestellt, dass das geplante Antiterrorgesetz der Schweiz gegen die Menschenrechte verstosse. Es wäre ein gefährlicher Präzedenzfall für die Unterdrückung politischer Opposition weltweit, erklärten sie.