Rund 6 Prozent der Patientinnen und Patienten erleiden in der Schweiz während eines Spitalaufenthalts eine Infektion. Mit der Strategie Noso will der Bund diese Zahl senken. Unter anderem sollen Blasenkatheter rascher entfernt werden.
Seit 2016 koordiniert der Bund Massnahmen zur Überwachung, Prävention und Bekämpfung von Spital- und Pflegeheiminfektionen. Am Freitag haben das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und seine Partner den ersten Jahresbericht zur Strategie Noso präsentiert und eine Zwischenbilanz gezogen.
Im vergangenen Jahr wurde das Ausmass des Problems ermittelt. Die Zahlen dazu hatte das BAG bereits Anfang Februar veröffentlicht: 5,9 Prozent der hospitalisierten Personen erleiden eine Spitalinfektion. Am häufigsten sind Wundinfektionen nach chirurgischen Eingriffen, gefolgt von Atemwegs-, Harnwegs- und Blutstrominfektionen.
Viele Fälle vermeidbar
Gemäss der Expertengruppe von Swissnoso, welche die Erhebung durchführte, ist das Verbesserungspotenzial gross: Je nach Typ der Infektion könnten 35 bis 55 Prozent der Spitalinfektionen vermieden werden. Das grösste Verbesserungspotenzial besteht bei den Infektionen durch Venen- oder Blasenkatheter.
Blasenkatheter würden oft routinemässig und nicht aus medizinischer Notwendigkeit gelegt, erklärten die Experten. Verzichte man in solchen Fällen auf einen Katheter oder entferne diesen nach Eingriffen früher, verringere man das Risiko einer Harnwegsinfektion einfach und effizient.
Die Stiftung Patientensicherheit führt nun in Zusammenarbeit mit Swissnoso ein Pilotprogramm durch, das den Spitälern ermöglichen soll, die Zahl der jährlich 350'000 gelegten Blasenkatheter zu senken. Dazu gehört etwa Schulung und praktisches Training an einer Puppe, wie Expertin Marie-Theres Meier sagte.
Tool zur Händehygiene
Viele Infektionen werden durch Keime an den Händen des Spitalpersonals verursacht. Dazu entwickelte Swissnoso das Tool CleanHands. 100 Spitäler verwenden es laut dem BAG bereits. Die mobile Anwendung ermöglicht es, ein Pflegeteam bei seinen Interaktionen mit den Patientinnen und Patienten zu beobachten, die Handgriffe zu bewerten und dem Team unmittelbar ein Feedback zu geben.
Ein weiteres Handlungsfeld bilden postoperative Wundinfektionen. Seit 2009 werden mehrere Operationstypen in Spitälern der ganzen Schweiz überwacht. So könnten sich die Spitäler miteinander vergleichen und feststellen, wo sich sich verbessern müssen, schreibt das BAG.
Keine Strafmassnahmen
Nicht Teil der Strategie Noso sind Strafen für Spitäler. Erfahrungen im Ausland hätten gezeigt, dass solche keine grosse Wirkung hätten und sogar kontraproduktiv sein könnten, sagte Stephan Harbarth von Swissnoso. So bestehe die Gefahr, dass Spitäler Infektionen zu vertuschen versuchten.
Die Infektionsgefahr ist in grossen Spitälern grösser als in kleinen, wie die Erhebung zeigte. In Einrichtungen mit über 650 Betten liegt die Rate bei 7,8 Prozent, in Einrichtungen mit weniger als 200 Betten bei 4,1 Prozent. Grund dafür ist laut Harbarth in erster Linie das "Patientengut": Viele Eingriffe werden nur in grossen Spitälern vorgenommen, weshalb dort mehr Patienten mit schweren Erkrankungen liegen.
Internationaler Vergleich möglich
Mit den erhobenen Zahlen ist auch ein internationaler Vergleich möglich. Die Zahlen aus der EU seien noch nicht veröffentlicht, sagte Daniel Koch, der Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten im BAG. Man könne aber bereits sagen, dass die Schweiz nicht schlecht dastehe.
Besonders gut stehe die Schweiz im internationalen Vergleich bei den Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen da. Das hänge auch mit der Handhygiene zusammen, welche das Risiko einer Übertragung von Patient zu Patient senke.
Leichtes Spiel für Keime
Koch rief auch in Erinnerung, dass Spitalinfektionen nicht immer mit "Fehlern" zu tun haben. Dass das Risiko für eine Infektion im Spital gross ist, hängt zum einen damit zusammen, dass dort viele Keime sind. Zum anderen sind Spitalpatienten oft geschwächt. Keime, die gesunden Menschen nichts anhaben, können für sie gefährlich sein.
Noch keine Daten gibt es zu den Infektionsraten in Pflegeheimen. In einem nächsten Schritt sollen die Zahlen auch dort erhoben werden. Weiter wird untersucht, ob die Anreize so sind, dass Spitäler und Pflegeheime genügend für Prävention motiviert sind. Die Resultate der Studie werden im Verlauf des Jahres erwartet.
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