Wahlkampf 2019 So grün sind die Grünen gar nicht

Von Anna Kappeler

30.4.2019

Junge Demonstranten marschieren während einer Klimademonstration durch die Stadt Bern.
Junge Demonstranten marschieren während einer Klimademonstration durch die Stadt Bern.
Bild: Keystone/Peter Klaunzer

Am Klima führt in diesem Wahljahr kein Weg vorbei. Doch wie klimabewusst sind die Parteien, wenn es um den eigenen Wahlkampf geht? «Bluewin» hat nachgefragt – das Ergebnis überrascht.

Die grüne Welle breitet sich aus. Auf der Strasse durch die Klimademonstrationen, in der Politik bei den jüngsten kantonalen Wahlen in Zürich, Basel-Land und Luzern. Und in Deutschland setzt nun sogar die Rechtsaussen-Partei AfD aufs Klima – wohl nicht zufällig im Vorfeld der Europawahlen. «Wir wären ja bescheuert, wenn wir das Thema liegen lassen würden», sagt AfD-Chef Jörg Meuthen im «Spiegel». «Als Politiker muss man Themen aufgreifen, die die Leute umtreiben.»

Doch ist das mehr als heisse Luft? Oder verpuffen die Ansagen, wenn es um den eigenen Wahlkampf geht? Das wollte «Bluewin» in einer Umfrage von den Schweizer Parteien wissen. Beginnen wir – nomen est omen – bei den Grünen. «Ökologische Fragen fliessen immer in unsere Kampagnenplanung ein», sagt Genralsekretärin Regula Tschanz. Die Partei verzichte etwa auf «Wegwerfartikel» als Give-aways.

Doch wie sieht es darüber hinaus aus: Verzichtet die Öko-Partei auch auf Plakate, um möglichst wenig Abfall zu produzieren? Tschanz verneint und sagt: «Die Grünen verfügen im Verhältnis zu anderen Parteien über ein äusserst bescheidenes Kampagnenbudget und können Plakatkampagnen entsprechend nur in kleinem Umfang, in einigen Kantonen gar nicht finanzieren.» Die Produktion von Kampagnenmaterialien laufe grossmehrheitlich über die Kantonalparteien.

«Verzicht auf Wahlplakakte war ein Wagnis»

Gänzlich auf Wahlplakate verzichtet hat der Grüne Regierungsrat Isaac Reber von Basel-Land. «Als arrivierter Regierungsrat mit einem guten Leistungsausweis habe ich mich entschieden, vollständig auf Plakate zu verzichten und konsequent auf Social Media (Facebook, Twitter und Linkedin), persönlichen Kontakt und den Leistungsausweis der letzten acht Jahre zu setzen», sagt Reber. Das sei ein Wagnis gewesen, auf das er nur habe eingehen können, weil er «mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs und dementsprechend nicht nur virtuell, sondern auch persönlich öffentlich stark präsent» sei. Sein Entscheid sei durch das sehr gute Wahlergebnis bestätigt worden. «Dass somit keine Plakate notwendig waren, ist sowohl aus finanzieller, aufwandmässiger und ökologischer Sicht positiv und erfreulich», sagt Reber.

Der Grüne Regierungsrat Isaac Reber, Vorsteher der Sicherheitsdirektion Basel-Landschaft, hat für seinen Wahlkampf ganz auf Wahlplakate verzichtet.
Der Grüne Regierungsrat Isaac Reber, Vorsteher der Sicherheitsdirektion Basel-Landschaft, hat für seinen Wahlkampf ganz auf Wahlplakate verzichtet.
Bild: Keystone/ Georgios Kefalas

Klingt gut. Trotzdem, räumt Reber ein, klimaneutral sei sein Wahlkampf nicht gewesen. Immerhin aber «sehr klimaschonend».

Dass nur schon ein klimaschonender Wahlkampf nicht einfach ist, mussten auch die Grünen im Kanton Solothurn feststellen: Die Kantonalpartei hat zwar vor acht Jahren auf Wahlplakate verzichtet. Vor vier Jahren und wohl auch jetzt 2019 lässt sie aber wieder Plakate drucken. Warum? «Man muss die Leute sehen», sagt deren Präsidentin Laura Gantenbein. Die Erfahrungen vor acht Jahren hätten gezeigt, dass Aufwand und Ertrag ohne Plakate nicht zu ihren Gunsten ausgefallen seien.

FDPler plant klimaneutralen Wahlkampf

Optimistisch hingegen klingt es ausgerechnet von der FDP – der Partei, deren plötzliches Umwelt-Bewusstsein oft als opportunistische Wahlkampftaktik kritisiert wird. Bei der FDP Schweiz heisst es auf Anfrage knapp, dass man nicht auf Plakate verzichte. Immerhin aber würde man diese nach Gebrauch an die Druckerei zurückschicken, wo sie recycelt würden.

Es gibt jedoch eine Ausnahme: Der Zürcher Nationalratskandidat und Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher überlegt sich einen klimaneutralen Wahlkampf. Er prüft, wie der CO2-Ausstoss bei seinem Wahlkampf kompensiert werden könnte. «Im Gegensatz etwa zu Flugreisen, bei denen die Anzahl Kilometer klar ist, sind diese Berechnungen bei einem Wahlkampf nicht so einfach. Wenn ich auf wissenschaftlich fundierter Basis eine klimaneutrale Kampagne machen kann, dann finde ich das nützlich und richtig», sagt Brupbacher zu «Bluewin».



Bei allen anderen Parteien klingt es zurückhaltend. Selbst die GLP, die wie die Grünen bei den jüngsten Wahlen vom neuen Umweltbewusstsein profitierte, sagt: «Wir setzen hier auf die Eigenverantwortung unserer Kantonalparteien und Kandidierenden», so Ahmet Kut, der Geschäftsführer der GLP-Bundeshausfraktion. «Priorität hat, dass die ökologischen Kräfte und damit auch die Grünliberalen politisch möglichst stark vertreten sind. Dafür ist es nötig, möglichst breit zu mobilisieren, auch noch mit traditionellen Werbemitteln.» Und man fokussiere stark auf den digitalen Wahlkampf.

Parteien setzen auch aufs Digitale

Auf den Wahlkampf im Netz setzen neben anderen Methoden auch die SP und die CVP: «Neben rezyklierbaren Trägern setzen wir auch auf digitale Werbung, beispielsweise im öffentlichen Verkehr», sagt Mediensprecher Nicolas Haesler. Und CVP-Mediensprecherin Vera Tschan sagt, man habe erstmals eine digitale nationale Wahlkampagne. «Die CVP Schweiz wird somit in diesem Wahljahr keine nationale Plakatkampagne durchführen. Es ist für die CVP natürlich willkommen, dass wir dadurch auch die Umwelt etwas schonen können.» Ob bei der CVP Schweiz Plakate aus Umweltgründen weggelassen würden, sei jeder Kantonalpartei frei überlassen. Und auch bei der SP ist dem Mediensprecher weder eine Kantonalpartei noch ein Politiker bekannt, der aus Umweltgründen auf Wahlplakate verzichte. Für Haesler von der SP kein Problem: «Papier und Karton sind rezyklierbar und damit aus unserer Sicht vertretbare Trägermaterialien.»

Kommt hinzu: Es ist ein Trugschuss zu glauben, dass der digitale Wahlkampf ressourcenschonend ist. Auch das Internet belastet die Umwelt – in der Schweiz etwa gleich stark wie eine Million Autos. Und auch wenn Videos mit riesigen Datenmengen auf Plattformen wie Facebook hochgeladen werden, geht das nicht ohne viel Strom.

Die SVP Schweiz schliesslich teilt «Bluewin» mit, dass man keine Vorgaben bezügliche eines umweltbewussten Wahlkampfes mache. In der Vergangenheit hätten Kantonalsektionen für eine massvolle Plakatierung plädiert, aktuell habe man im Generalsekretariat keine Kenntnis von solchen Vorgaben.

Zurück zur Startseite