Vorlage kommt ins Parlament Kommission sorgt für Zündstoff: Kommt der Sozialhilfe-Pranger?

Von Silvana Guanziroli

27.8.2019

Bis jetzt gelten Personendaten von Sozialhilfebezügern als besonders schützenswert. Dagagen hat sich jetzt die Staatspolitische Kommission des Nationalrates im Rahmen der Beratung zur Revsion des Datenschutzgesetzes ausgesprochen.
Bis jetzt gelten Personendaten von Sozialhilfebezügern als besonders schützenswert. Dagagen hat sich jetzt die Staatspolitische Kommission des Nationalrates im Rahmen der Beratung zur Revsion des Datenschutzgesetzes ausgesprochen.
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Diese Vorlage dürfte noch zu hitzigen Diskussionen führen. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates will die Sozialhilfemassnahmen von der Liste der besonders schützenswerten Daten streichen. Die Linke befürchtet nun einen Sozialhilfe-Pranger.

«Es kann im Interesse der Vertragspartner, der Anbieter oder gar der Öffentlichkeit sein, zu wissen, ob eine Person Sozialhilfe bezieht» – so steht es in einer Mitteilung der nationalrätlichen Kommission. Was so unaufgeregt daherkommt, schürt bei Sozialhilfeempfängern in der Schweiz seit einigen Tagen grosse Ängste.

Doch um was geht es konkret? Die Kommission hat kürzlich ihre Beratung zur Vorlage der Revision des Datenschutzgesetzes abgeschlossen. Hier wird unter anderem geregelt, welche Personendaten besonderen Schutz geniessen. Bisher zählten die Daten von Soziahilfeempfängern dazu – doch das soll sich ändern. Eine Mehrheit der Kommission will, dass das sogenannte Schutzniveau geändert wird. Das brisante Geschäft kommt in der Herbstsession in das gesamte Parlament.

Von linker Seite ist bereits mit grossem Widerstand zu rechnen. SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitglied der Staatspolitischen Kommission, spricht Klartext. «Mit einer solchen Anprangerung sollen Sozialhilfebezüger unter Druck gesetzt und potenzielle weitere Bezüger davon abgehalten werden, diese Hilfe überhaupt in Anspruch zu nehmen», sagt er.

Und Kommissions-Kollege Cedric Wermuth (SP) ergänzt: «Das ist ein Versuch, die Prangerlogik einzuführen. Und den werden wir, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, bekämpfen.»

Die SP-Nationalräte Angelo Barrile und Cédric Wermuth befürchten mit der Vorlage einen Pranger für Sozialhilfeempfänger.
Die SP-Nationalräte Angelo Barrile und Cédric Wermuth befürchten mit der Vorlage einen Pranger für Sozialhilfeempfänger.
Keystone

Kommissionspräsident sieht keine Chance

Dass es plötzlich zu so scharfen Tönen kommt, erstaunt Kommissionspräsident Kurt Fluri (FDP). «In der Beratung war die Diskussion nicht so dramatisch. Von Pranger war nie die Rede.» Dabei zählt auch Fluri zur Minderheit, die sich gegen die Vorlage aussprach. «Es gibt heute bereits einige Spezialgesetze wie das Bürgerrecht oder das Ausländergesetz, welche die Sozialhilfebezüger offenlegen. Eine generelle Aufhebung des Schutzes ist meiner Meinung nach nicht nötig.»

Doch Fluri ergänzt: «Ich bin aber schon der Meinung, dass dieses Schutzniveau nicht grundrechtrelevant ist. Und in der neuen europäischen Datenschutzverordnung steht es so auch nicht drin.»

SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann und der Präsident der Staatspolitischen Kommission Kurt Fluri (FDP).
SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann und der Präsident der Staatspolitischen Kommission Kurt Fluri (FDP).
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Trotzdem ist er sich sicher, dass die Vorlage im Parlament keine Chancen hat. «Die Minderheit ist doch sehr gross, auch im bürgerlichen Lager dürften sich einige klar dagegen aussprechen.»

Das sieht SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann ganz anders. Sie ist überzeugt, dass es diese Umkategorisierung dringend braucht. «Wir wollen diese Änderung, damit die Sozialämter der Gemeinden untereinander die Dossiers austauschen können. Das ist heute nicht möglich, und das ist eine unbefriedigende Situation», sagt sie.

Und Steinemann hat eine klare Vorstellung, wann die Bevölkerung informiert werden muss. «Bei einem öffentlichen Interesse. Das ist, wenn eine Person straffällig wird. Wie im Fall des Irakers, der im aargauischen Brugg seiner Tochter den Schädel gebrochen hatte», sagt sie. Dieser Mann habe jahrelang Sozialhilfe bezogen, doch die müsse man gemäss Steinemann aufgrund der Straffälligkeit wieder entziehen.

Raser werden nicht so hart angepackt

An die Adresse von Sozialhilfebezügern, die sich in ihrer Gemeinde vor einem Outing fürchten, sagt die SVP-Nationalrätin: «Wer nicht schwer kriminell wird, muss sich keine Sorgen machen. Die Daten können nicht einfach veröffentlicht werden.»

Ein Punkt allerdings stösst Betroffenen doch nachhaltig auf. Es herrscht die Meinung, die Staatspolitische Kommission messe mit unterschiedlichen Ellen. Während sie Sozialhilfebezüger und darüber hinaus auch Gewerkschaftsmitgliedern den besonderen Schutz abspricht, sollen Raser, die den Führerschein abgeben müssen, weiterhin geschützt bleiben.

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