Holprige ImpfkampagneLieferprobleme bringen Kantone an ihre Grenzen
Von Julia Käser
30.1.2021
Noch ist die Schweiz beim Impfen einigermassen auf Kurs. Jedoch zeichnen sich weitere Lieferengpässe ab, was die Impf-Strategien der Kantone durcheinanderbringt. Diese müssen sich nun gegenseitig aushelfen.
«Bis Ende Juni sollen alle Menschen in der Schweiz, die das wollen, geimpft sein», verkündete Nora Kronig, die Vizedirektorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), Anfang Januar. An dieser sportlichen Zielsetzung hält das BAG vorerst fest – obwohl die Kritik am Impf-Fahrplan des Bundes immer lauter wird.
Das Hauptproblem: Es gibt zu wenig Impfstoff in der Schweiz. Die Lieferungen der Corona-Impfstoffe verzögern sich – zuerst bei Biontech/Pfizer, nun auch bei Moderna, wie «Blick» berichtet.
Bis am 24. Januar hat die Schweiz insgesamt 471'400 Impfdosen erhalten, wie einer Statistik des BAG zu entnehmen ist. Damit ist man laut Kronig einigermassen auf Kurs, auch wenn es beim Vakzin von Biontech und Pfizer erste Lieferschwierigkeiten gab.
Kantone beklagen Planungsunsicherheit
Im Februar könnte es schon düsterer aussehen: Eigentlich erwartet die Schweiz für Anfang Monat eine Lieferung von 300'000 Moderna-Impfdosen. Es ist nicht auszuschliessen, dass auch dieser Lieferumfang kleiner ausfällt als geplant.
Diese Unsicherheit stösst den Kantonen sauer auf. Allen voran der Kanton Zürich bemängelte an einer Medienkonferenz vom Dienstag den kurzen Planungshorizont. Wie sämtliche Lieferungen ab dem 15. Februar aussehen werden, wisse man noch nicht. Dazu habe man seitens Bund keine klare Prognose erhalten, erklärte Markus Näf, Projektleiter Covid-19-Impfung im Kanton Zürich.
Weil man sich nicht sicher sein könne, dass die versprochenen Impfstoff-Mengen auch tatsächlich einträfen, verzichtet der Kanton Zürich darauf, sofort alle Dosen zu verimpfen – und spart ein gewisses Kontingent für die notwendige Zweitimpfung auf. Denn sowohl der Impfstoff von Biontech/Pfizer als auch jener von Moderna entfalten die volle Wirkung erst nach zwei Injektionen – und diese muss idealerweise drei respektive vier Wochen nach der ersten Impfung erfolgen.
Impfzentren schliessen
Davon, Impfdosen zurückzuhalten, hatte das BAG noch vor kurzer Zeit abgeraten. Am Dienstag klang das schon ein wenig anders. Es sei Sache der Kantone, zu bestimmen, welche Mengen sie zur Seite legen, um den bereits Geimpften die zweite Dosis zu spritzen, so Kronig.
Tatsächlich haben erste Kantone bereits mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Nidwalden, wo bis am Freitag 3350 Impfdosen verabreicht worden sind, hat aktuell nicht genug Dosen für die notwendige Zweitimpfung auf Lager. Um die vorgegebene Frist zwischen den beiden Impfungen einhalten zu können, sei man auf weitere Packungen des Vakzins von Pfizer/Biontech angewiesen.
In einer Mitteilung teilt Nidwalden mit, diesbezüglich mit anderen Kantonen, die noch über genug Vorräte verfügten, in Kontakt zu stehen. Von diesen habe man bereits positive Signale erhalten. Gut möglich also, dass einer der Kantone, die bis jetzt weniger Impfdosen verabreicht haben, Nidwalden aushilft.
Einer dieser Kantone ist Bern. Via Twitter verteidigte der Kanton seine Impfstrategie: «Wenn alles so rasch wie möglich verimpft würde, müssten Impfzentren kurzum schliessen und das Personal bis zur Lieferung von neuem Impfstoff freigestellt werden, da der Impfstoff zurzeit knapp ist.» Das aber will man verhindern.
Vertrag mit AstraZeneca und weitere Verhandlungen
Darüber, wieso genau es zu Lieferverzögerungen kommt, halten sich die Hersteller bedeckt. Klar ist: Die Produktion der Vakzine ist hochkomplex. Einige Komponenten der Impfstoffe sind zuvor noch nie in dem Umfang produziert worden, der jetzt benötigt wird. Zudem hat Pfizer seine Lieferungen nach Europa vorübergehend verlangsamt, um die Fabrik in Belgien umzubauen, damit diese besser gerüstet ist für die erhöhten Produktionskapazitäten.
Hoffnung schöpfen darf man aus der möglichen Zulassung von weiteren Impfstoffen. Mit AstraZeneca hat die Schweiz bereits einen Vertrag abgeschlossen und sich 5,3 Millionen Dosen des Vakzins gesichert. Zudem sei man in weiteren Verhandlungen, liess Kronig verlauten. Genauere Angaben machte sie nicht.
In aller Munde ist derzeit auch der Covid-19-Impfstoff des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson (J&J). Dieser hat den Vorteil, dass davon nur eine Dosis verabreicht werden muss. Einer neuen weltweiten Studie zufolge hat das Vakzin eine Wirksamkeit von 66 Prozent, eine US-Studie kam auf 72 Prozent.