Aus der Müller-ReformhäuserLohnt es sich, Pionier zu sein?
mmi
7.1.2023
Müller hat als Pionierin der Reformhäuser gegolten, hat aber dennoch schliessen müssen. Ein Strategie-Professor erklärt, wie sich Pioniere gegen die Marktübernahme der Grossen verteidigen können.
mmi
07.01.2023, 00:00
07.01.2023, 08:30
mmi
Das brutale Aus nach fast 100 Jahren für die 37 Reformhaus-Läden von Müller Mitte dieser Woche wirft Fragen auf: Wie konnte das Traditionsunternehmen im nach wie vor florierenden Bio-Geschäft Konkurs gehen? Sind die Pioniere dieses Markts Opfer des eigenen Erfolgs geworden oder hat sie quasi den sogenannten Fluch der Pioniere ereilt?
Die «Handelszeitung» hat bei Stefan Michel, Professor für Marketing und Strategie am International Institute for Management Develompent (IMD) in Lausanne nachgefragt.
Von der Nische zum Mainstream
Das 1929 gegründete Bio-Unternehmen habe durchaus den Fluch der Pioniere eingeholt, sagt Michel. Das heisst, Müller konnte für lange Zeit mit seinem Angebot eine Nische bewirtschaften. Doch typischerweise können die Nischenanbieter nicht mehr mithalten, sobald sich das Thema zum Mainstream entwickelt.
So verlor der Trendsetter Müller zusehends Terrain an die Schweizer Grossverteiler wie Coop oder Migros, die besonders in der Bio-Sparte zugelegt haben. Naturgemäss hätten kleinere Anbieter wie Müller Nachteile gegenüber der Grossverteiler bezüglich Einkaufsmacht und Kostenstruktur. Die tieferen Preise der Grossisten sorge dann noch für den Rest, so Michel.
Kunden mit einem exklusiven Sortiment oder starker Kundenbindung zu halten beziehungsweise dazu zu gewinnen, sei eine alternative Strategie, funktioniere meist nur in der Theorie, so Michel. In der Realität sei es oft so, dass der kleine Anbieter damit kaum punkten könne.
Pionieren bleiben zwei Varianten
Als Marktpionier gibt es für den Experte zwei Varianten zum Überleben. Erstens: Versuchen Marktmacht zu gewinnen, indem man das Geschäft skaliert. Damit könne man zu den Grossen aufschliessen. Oder zweitens: Den Tod der eigenen Nische zu akzeptiern und die Nächste suchen. Das wird «Nischen-Hopping» genannt und müsse früh genug in die strategische Planung einbezogen werden, so Michel.
Das Schicksal, das die Reformhäuser von Müller ereilte, ist kein Einzelfall. Dennoch gibt es auch Nischen-Pioniere die sich behaupten konnten. Etwa «Red Bull» oder «Nespresso». Dies sei vor allem der Fall gewesen, weil diese Unternehmen rasch die Nische verliessen und sich selbst zum Mainstream entwickelten, analysiert Experte Michel.
Lohnt es sich Pionier zu sein?
Da drängt sich die Frage auf, ob es sich überhaupt lohnt Pionier zu sein? Laut Michel können sich Pioniere durchaus behaupten, sofern man eine Mission habe und auch wirklich eine Nische gefunden habe. Pioniere sollten sich immer die Frage stellen, ob das gewählte Geschäfsmodell das richtige und für die nächsten fünf Jahre tragfähig sei. Denn es sei zentral, dass man seinen Investor*innen ein zukunftsträchtiges Geschäfsmodell vorlegen kann. Damit könne man die drei wichtigsten Fragen beantworten: Von wem erhalte ich wie viel Geld und wie schnell ist es verbrannt?