Positiv trotz Impfung «Mir dämmerte: Mist, uns alle könnte Corona erwischt haben»

Von Anna Kappeler

7.9.2021

Eine Angestellte des Stadtspitals Zürich führt bei einem Patienten einen Antigen-Schnelltest durch. (Symbolbild)
Eine Angestellte des Stadtspitals Zürich führt bei einem Patienten einen Antigen-Schnelltest durch. (Symbolbild)
Bild KEYSTONE

Es ist selten, doch es kommt vor: Was, wenn man sich trotz doppelter Corona-Impfung mit dem Virus ansteckt? Betroffene erzählen.

Von Anna Kappeler

7.9.2021

Die Corona-Zahlen gehen nicht zurück, die Hospitalisationen steigen. Und die Intensivstationen sind fast voll – vor allem mit Ungeimpften. Doch auch die Geimpften können sich nicht in völliger Sicherheit wähnen. Das bestätigt das BAG: «Fälle trotz vollständiger Impfung sind zu erwarten, da die Impfstoffwirksamkeit zwar sehr hoch ist, jedoch unter 100 Prozent liegt», sagt ein Sprecher auf Anfrage.

Die neuesten BAG-Zahlen vom 2. September zeigen: Die laborbestätigten Hospitalisationen trotz vollständiger Impfung steigen, insbesondere seit Anfang August. Von Zählungsbeginn am 27. Januar dieses Jahres bis zum 2. September waren 166 Geimpfte im Spital. Zum Vergleich: Die Anzahl Hospitalisierten betrug in derselben Zeit 8836 Personen. 

Ähnlich ist das Bild bei den Todesfällen. Bei den doppelt Geimpften sind es im erwähnten Zeitraum 33, total sind in dieser Zeit 1472 Menschen an Corona gestorben.

Das zeigt: Auch doppelt Geimpfte können an Corona erkranken, meistens bleibt deren Verlauf indes ungefährlich. Der 34-jährige Familienvater Joel Kunz hat genau das erlebt. Wir erreichen ihn telefonisch bei sich daheim in Quarantäne.

«Beim zweiten Test war auch ich positiv»

«Meine Frau und unsere zwei Kinder sind am Sonntag, 29. August, bei meinen Schwiegereltern zu Besuch gewesen. Am Dienstag hat uns der Kindergarten unserer 5-jährigen Tochter angerufen, sie habe Fieber. Wir haben sie abgeholt, uns aber nicht viel dabei gedacht.

Am Mittwoch hat es meine Frau erwischt. Sie ist den ganzen Tag nicht aus dem Bett gekommen, und musste sich dauernd übergeben. Das fand ich seltsam, aber da meine Frau seit Mai und ich seit Juli doppelt gegen Corona geimpft sind, habe ich keine Sekunde an Corona gedacht.

Dann kam der Anruf meiner Schwiegermutter. Sie sei krank, woraufhin sie positiv auf Corona getestet wurde. Dies, obwohl sie doppelt geimpft ist.

Unser 3-jähriger Sohn hustete inzwischen stark, ich nahm ihn aus der Kita. Sein Husten klang wie Pseudokrupp, wie ein Bellen. Doch mir dämmerte: Mist, uns alle könnte Corona erwischt haben.

Also holte ich Selbsttests für uns alle vier in der Apotheke. Ich bekam diese gratis. Es stellte sich heraus: Meine Frau und die beiden Kinder sind positiv. Einzig ich war negativ.

Coronapositiv trotz doppelter Impfung: die Tests der Familie Kunz. Einzig Vater Joel war zu diesem Zeitpunkt noch negativ, einen Tag später war auch er positiv.
Coronapositiv trotz doppelter Impfung: die Tests der Familie Kunz. Einzig Vater Joel war zu diesem Zeitpunkt noch negativ, einen Tag später war auch er positiv.
Bild: zVg

Einen Tag darauf, inzwischen war Donnerstag, testete ich mich erneut: Nun bin auch ich positiv. Das passt, denn inzwischen habe auch ich eine starke Erkältung.

Der Telefonberatungsdienst der Krankenkasse, den wir anriefen, sagte uns daraufhin, wir müssten nun alle auch PCR-Tests machen gehen. Da im Testzentrum keine Kinder getestet werden, musste ich daraufhin mit dem Auto und den Kindern extra noch zu deren Kinderarzt fahren. Wir alle vier sind positiv.

Auch der ganze Chindsgi meiner Tochter ist nun in Quarantäne. Zum Glück musste bei der Arbeit niemand in Quarantäne, da ich mich am Montagabend im Fussball-Training verletzte hatte, und somit nicht arbeiten gehen konnte. Und meine Frau hatte Symptome, und ging deshalb nicht arbeiten. Das hätte einen Riesen-Rattenschwanz nach sich gezogen, wenn ich arbeiten gegangen wäre trotz Corona.

Inzwischen geht es uns allen wieder besser. Meine Tochter hatte mehrere Tage hohes Fieber. Ich habe gestern temporär meinen Geschmackssinn verloren, meiner Frau passierte das einen Tag früher.

Bis zum 11. September müssen wir in Quarantäne bleiben. Mein Bruder hat für uns eingekauft oder wir haben online Essen eingekauft. Doch nun müssten wir dringend waschen. Und unsere Kinder sind wieder fit, und reissen bald die Wohnung ein. Sie verstehen nicht, warum sie trotz Sommerwetter drinnen bleiben müssen.

Ich sehne das Ende der Quarantäne herbei. Und hoffe, wir bleiben von Long-Covid verschont.»

Positiv im Grossraumbüro?

Die Impfdurchbrüche der Famile Kunz ziehen indes weitere Kreise. Blue-Entertainment-Leiterin Laura Hüttenmoser hat einen Abend bei der Familie Kunz verbracht, bevor diese positiv getestet wurden.

Zwei Tage später sitzt sie im Grossraumbüro, als ihre Freunde sie anrufen und ihr sagen, dass sie Corona haben. Laura reagiert sofort, geht in die nächste Apotheke und macht einen Schnelltest. Er ist negativ.

Doch Laura ist gleichwohl verunsichert, wie sie sich verhalten soll. Soll sie Leute treffen? Könnte sie trotz doppelter Impfung weitere Leute anstecken? Sie ruft beim Ärztefon an.

Dort wird ihr gesagt, da sie doppelt geimpft und ohne Symptome sei, müsse sie keinen PCR-Test machen. Auch sonst solle sie leben wie normal, also Freunde treffen und auch weiter ins Grossraumbüro gehen. Die gängigen Hygieneregeln solle sie selbstverständlich weiterhin einhalten.

Die Dunkelziffer ist hoch

Doch wie hoch ist die Dunkelziffer bei Geimpften? Insbesondere bei den geimpften Corona-Erkrankten sei diese hoch, bestätigt das BAG. Die Gründe dafür: «Geimpfte Personen haben öfter nur leichte Symptome und suchen darum seltener eine/n Ärztin/Arzt auf», wie beim BAG steht. Kommt dazu, dass diese Personen sich in Testzentren oder Apotheken testen lassen, weil sie keine medizinische Behandlung benötigten. «In letzterem Fall erhalten wir zwar die Meldung zum Laborbefund, jedoch keine Informationen zum Impfstatus», schreibt das BAG.

«Entsprechend wird insbesondere die Zahl der Fälle bei vollständig geimpften Personen unterschätzt, die weder hospitalisiert wurden noch verstarben», sagt ein BAG-Sprecher auf Nachfrage.

Noch Wochen nach Corona Atemnot

Bleibt das Risiko einer Long-Covid-Erkrankung. Davon sind auch vollständig Geimpfte nicht gefeit. «blue News» ist folgender Fall bekannt, nennen wir ihn Max Berger*. Berger hatte vor wenigen Wochen plötzlich Kopfweh, eine laufende Nase und Probleme beim Atmen. Sein Corona-Test fiel positiv aus, obwohl er doppelt geimpft ist.

Berger geht davon aus, dass ihn seine Kinder, die noch zu jung zum Impfen sind, angesteckt haben. Nach drei Tagen im Bett war der Spuk bei ihm vorbei.

Das ist wenige Wochen her. Doch bis heute leidet Berger hin und wieder an Atemnot, kann keine Treppen hochlaufen, ohne stark ausser Atem zu kommen. Auch ist sein Geschmacks- und Geruchssinn noch nicht zurückgekommen.

Selbstverständlich ist die Zeitspanne zu kurz, um von Long-Covid sprechen zu können. Berger macht sich gleichwohl Sorgen, dass die Symptome bleiben könnten.

* Name der Redaktion bekannt.