Jobs nach der Polit-KarriereWas Kurz kann, können Bundesrät*innen auch
Von Andreas Fischer
30.12.2021
Sebastian Kurz ist noch nicht lange österreichischer Alt-Kanzler und wechselt schon in die Wirtschaft. Auch Schweizer Politiker*innen haben mit schnellen Jobwechseln nach der politischen Laufbahn irritiert.
Von Andreas Fischer
30.12.2021, 21:58
31.12.2021, 10:00
Von Andreas Fischer
Lange hat es nicht gedauert, bis Sebastian Kurz einen Job hatte. Im Oktober erst war er im Zuge einer Korruptionsaffäre als österreichischer Bundeskanzler zurückgetreten und hat sich Anfang Dezember komplett aus der Politik zurückgezogen. Wenige Woche später heuerte Sebastian Kurz beim umstrittenen Tech-Milliardär Peter Thiel in den USA als «Global Strategist» an. Der neue Job soll, wie das österreichische Nachrichtenportal heute.at mutmasst, besser dotiert sein als sein Kanzlergehalt von 312’000 Euro.
Österreichs junger Alt-Kanzler – Kurz ist 35 Jahre alt – ist nicht der erste Politiker, der nach dem Ende seiner politischen Laufbahn in die freie Wirtschaft wechselt. Das ist insbesondere bei jungen Ex-Politikern üblich.
Die berufliche Karriere geht weiter
Etwa bei Ruth Metzler. 1999 mit 36 Jahren in Bern zu einer der jüngsten Bundesrätinnen der Schweiz gewählt, beendete sie nach ihrer Abwahl 2003 nicht einfach ihre berufliche Karriere. Nach einem Lehrauftrag an der Universität St. Gallen wechselte die ehemalige Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements 2005 in die Geschäftsleitung von Novartis Frankreich und ist seit 2010 Inhaberin eines Beratungs- und Kommunikationsunternehmens.
Gleichwohl sorgt es immer wieder für Irritationen, wenn Politiker*innen unmittelbar nach dem Ende ihrer Amtszeit in die Teppichetagen der Privatwirtschaft wechseln. In der Schweiz löste etwa Doris Leuthard eine Kontroverse aus. Nachdem die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) Ende 2018 aus dem Bundesrat ausschied, wurde sie im November 2019 vom Bahnhersteller Stadler Rail für den Verwaltungsrat nominiert.
Alt-Bundesrätin Doris Leuthard ging zu Stadler Rail
In der Politik löste Leuthards Mandat bei Stadler Diskussionen über eine Wartefrist für ehemalige Mitglieder des Bundesrats aus. Zumal wenn sie nach ihrer politischen Karriere in Branchen arbeiten, für die sie zuvor in der Regierung zuständig waren.
Stadler betonte damals, Leuthard halte mit ihrer Kandidatur für die Wahl im Frühjahr 2020 die politisch geforderte Karenzfrist von einem Jahr ein. Transparency International Schweiz stufte den Vorgang allerdings als «problematisch» ein: «Das ist ungeschickt, obwohl sie eine einjährige Frist eingehalten hat. Von einer ehemaligen Ministerin wird mehr Sensibilität erwartet», wird Martin Hilti von der Antikorruptionsorganisation bei Swissinfo zitiert. Dass Leuthard bereits wenige Monate nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung in die Verwaltungsräte von Coop, Bell Food und Transgourmet gewählt worden war, sei ebenfalls problematisch.
Irritationen aus Trotz
Auch Leuthards Vorgänger im Uvek sorgte nach seinem Rücktritt für eine heftige Debatte: Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger wechselte 2010 nach wenigen Wochen in den Verwaltungsrat von Implenia. Der Baukonzern war unter anderem am Bau des Gotthard-Tunnels beteiligt, einem Projekt, für das Leuenberger als Verkehrsminister direkt verantwortlich war.
Leuenberger betonte damals, dass er als Bundesrat nur direkt mit dem Unternehmen zu tun gehabt habe. Dass er das Mandat im Verwaltungsrat angenommen habe, sollte eine Provokation sein: «Man hatte mich fallengelassen, und ich wurde zum Rückzug gedrängt. Auch von der eigenen Partei. Also sagte ich mir: Wenn ihr mich nicht mehr wollt, dann mache ich etwas, was euch missfällt», begründete er damals.
Gerhard Schröder machte es vor
Auch in anderen Ländern kommen abgewählte oder ausgemusterte Politiker in lukrativen Beschäftigungsverhältnissen unter. Und die haben teilweise mehr als nur ein Beigeschmack: Der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder etwa wechselte nach seiner Abwahl im September 2005 noch im gleichen Jahr zum russischen Gaskonzern Gazprom und übernahm dort den Aufsichtsratsvorsitz der Nord Stream AG. Pikanterweise hatte der persönliche Freund Wladimir Putins das Projekt der heute heftig umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 in seiner Regierungszeit sehr wohlwollend begleitet. Mittlerweile ist Schröder auch beim staatlichen Energiekonzern Rosneft in führender Position tätig.
Schröder ist nicht der einzige ehemalige europäische Spitzenpolitiker in Diensten russischer Staatskonzerne. Die frühere österreichische Aussenministerin Karin Kneissl hält ein Aufsichtsratsmandat bei Rosneft, der österreichische Altkanzler Wolfgang Schüssel ist Aufsichtsrat des russischen Mobilfunkanbieters MTS und sitzt im Board of Directors des russischen Mineralölkonzerns Lukoil.
Erst vor kurzem ist der frühere französische Premierminister François Fillon in den Aufsichtsrat des Ölkonzerns Sibur berufen worden. Schon zur Jahresmitte war Fillon in den Aufsichtsrat des staatlichen russischen Ölkonzerns Sarubeschneft berufen worden. Fillon hatte als Chef der von ihm gegründeten Beratungsfirma Apteras bereits früher mit russischen Unternehmen zusammengearbeitet.