Sicher ist noch nichts Darum könnte der Nagra-Entscheid zum Atommüll noch kippen

tafi

12.9.2022

Nach Nagra-Entscheid: «Es ist schon etwas mulmig»

Nach Nagra-Entscheid: «Es ist schon etwas mulmig»

Die Nagra hat entschieden: Das neue Atommüll-Endlager soll im Gebiet Nördlich Lägern entstehen. Der Eingang ist in der Nähe der Zürcher Gemeinde Stadel geplant. Ein Stimmungsbericht vor Ort.

12.09.2022

Nach 50 Jahre ist die Suche vorbei. Zumindest vorerst. Das geologische Tiefenlager für Schweizer Atommüll soll bis 2050 in Nördlich Lägern im Zürcher Unterland gebaut werden. Ausser es kommt etwas dazwischen.

tafi

«Die Geologie hat gesprochen», sagte Roman Meyer, Vizedirektor des Bundesamtes für Energie (BFE). Das Schweizer Endlager für radioaktive Abfälle soll in der Region Nördlich Läger im Kanton Zürich gebaut werden und 2050 in Betrieb gehen. 50 Jahre hatte die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) nach einem geeigneten Standort gesucht.

Auch wenn es aktuell danach tönt: In trockenen Tüchern ist das Vorhaben noch lange nicht. Der Standortentscheid ist mitnichten definitiv: Die Nagra selbst spricht von einem Vorschlag. Und der kann auch noch abgelehnt werden. Bis das geplante Endlager gebaut und radioaktive Abfälle eingelagert werden können, dauert es noch mehrere Jahrzehnte, in denen einige Hürden überwunden werden müssen. Ein Überblick über den Zeitplan:

Bis Ende 2024: Rahmenbewilligungsgesuche

Für das laut Nagra «Jahrhundertprojekt» Tiefenlager wurden in jahrzehntelanger Forschung mithin lediglich die Grundlagen geschaffen. Nachdem die Nagra den Standort Nördliche Lägern nun als am besten geeignet für das Endlager vorgeschlagen hat, muss sie die Rahmenbewilligungsgesuche ausarbeiten und den Bundesbehörden vorlegen. Dies soll bis Ende 2024 erfolgen.

2029: Bundesrat entscheidet definitiv

Das Bewilligungsverfahren ist komplex und dauert bis zu fünf Jahre. Der Bundesrat wird also erst 2029 den definitiven Standortentscheid fällen. Danach müssen Ständerat und Nationalrat zustimmen. Beim weiteren Vorgehen nach dem erwarteten Bundesratsentscheid verorten die Schweizerische Energiestiftung (SES) und andere regionale Nichtregierungsorganisationen (NGO) ein «Demokratiedefizit», wie sie in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten.

2031: Fakultatives Referendum wahrscheinlich

Als einziges demokratiepolitisches Instrument bleibt ein schweizweites Referendum, das gegen die Rahmenbewilligung ergriffen werden kann. Eine Volksabstimmung gilt als wahrscheinlich. Sollte es dazu kommen, ist mit einem Urnengang über das Tiefenlager im Jahr 2031 zu rechnen. Das Tiefenlager muss damit nicht dort überzeugen, wo es gebaut wird. Das Schweizer Stimmvolk könnte es aber theoretisch auch ablehnen.

2034: Erste Bauarbeiten

Gebaut wird frühestens ab 2034. Zunächst handele es sich laut Nagra um «Bautätigkeiten für erdwissenschaftliche Untersuchungen untertage». Dies wird von der SES und den NGOs kritisch gesehen. Sie bemängeln Wissenslücken beim Lager-, Barriere- und Behälterkonzept sowie ungeklärte potenzielle Nutzungskonflikte im Untergrund – etwa beim Einfluss auf das Tiefengrundwasser. Dazu müsse erst nach dem definitiven Standortentscheid ein Konzept zur Rückholung der radioaktiven Abfälle vorgelegt werden.

Mit dem Bau in die Tiefe werde gemäss Nagra etwa 2045 begonnen.

2050/2060: Gestaffelte Einlagerung des Atommülls

Schwach- und mittelradioaktive Abfälle können im geologischen Tiefenlager eingelagert werden. Der Lagerbereich für hoch radioaktive Abfälle soll um etwa 2060 in Betrieb genommen werden können. Ab 2065 folgt eine «Beobachtungsphase», die 50 Jahre lang dauern soll. Frühestens im Jahr 2115 könne das Lager dann verschlossen werden.

Mit Material der Nachrichtenagenturen Keystone-SDA und dpa.

Das Verfahren zur Suche nach einem Atommüll-Endlager steht in der Kritik.
Das Verfahren zur Suche nach einem Atommüll-Endlager steht in der Kritik.
dpa