Unterhaus Nationalrat lässt Flächenziele für Biodiversität fallen

jc, sda

20.9.2022 - 11:47

Mit dem Artenschutz in der Schweiz ist es laut einer Mehrheit des Nationalrates nicht zum Besten bestellt. Trotzdem dürfte er die Biodiversitätsinitiative ablehnen und einem indirekten Gegenvorschlag den Vorzug geben. (Archivbild)
Mit dem Artenschutz in der Schweiz ist es laut einer Mehrheit des Nationalrates nicht zum Besten bestellt. Trotzdem dürfte er die Biodiversitätsinitiative ablehnen und einem indirekten Gegenvorschlag den Vorzug geben. (Archivbild)
Keystone

Der Nationalrat will der Biodiversität in der Schweiz über einen qualitativen Ansatz und nicht über konkrete Flächenziele mehr Gewicht verschaffen. Dies hat er am Dienstag im Rahmen der Beratungen zum indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative entschieden.

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Die grosse Kammer hat einen entsprechenden Minderheitsantrag von Matthias Jauslin (FDP/AG) nach einer Abstimmungskaskade über insgesamt vier Vorschläge mit 100 zu 91 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Der Nationalrat schliesst die Detailberatung zum ganzen Geschäft am Mittwoch ab. Dann geht die Vorlage in den Ständerat.

Ganz aus der Vorlage ausgegliedert hat der Nationalrat die Förderung der Baukultur von hoher Qualität. Sie soll im Rahmen der Kulturbotschaft behandelt werden. Die Ratslinke und ein Teil der Grünliberalen setzten sich für die Initiative und den Gegenvorschlag ein. SVP, FDP, die Mitte und der andere Teil der GLP beabsichtigen, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen.

In der Detailberatung strich der Rat das vom Bundesrat und der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Flächenziel von neu 17 Prozent für Biodiversitätsflächen bis 2030 aus dem Gegenentwurf und ersetzte das Kernstück der Vorlage durch eine qualitative Formulierung, die auch den Kantonen ein Mitspracherecht einräumen will bei der Ausscheidung der Flächen.

Insgesamt kein Flächenausbau

Umweltministerin Simonetta Sommaruga bezeichnete Jauslins Idee als prüfenswert, der Bundesrat könne sie unterstützen. Diese habe offensichtlich mehr Potenzial, um die verschiedenen Interessen zusammenzuführen und Abwehrreflexe gegen starre Flächenziele zu umgehen.

Jenen, die durch die Massnahmen einen weiteren Kulturlandverlust für die Nahrungsmittelproduktion befürchteten, versicherte Sommaruga, man werde sich beim Ausbau der Flächen immer innerhalb des bereits bestehenden Rahmens bewegen.

Auf den bereits ausgeschiedenen 192'000 Hektaren für Biodiversität gebe es viele Aufwertungsmöglichkeiten. «Der Bundesrat sieht nicht vor, dass mit dem indirekten Gegenvorschlag in der Summe mehr Biodiversitätsförderflächen dazukommen.» Der Bundesrat wolle die Qualität fördern. Es werde auch niemand enteignet.

Das neue Instrument ermögliche die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt und lasse gleichzeitig eine angepasste Nutzung der Flächen durch die Landwirtschaft oder zur Energieerzeugung zu, sagte Ursula Schneider-Schüttel (SP/FR). Der Bundesrat lege dazu auf wissenschaftlicher Basis die Kriterien fest.

Demgegenüber bezeichnete Stefan Müller-Altermatt (Mitte/SO) die Streichung des Flächenziels im Namen seiner Fraktion als «Blackbox und Katze im Sack». Er war dafür, der Kommissionsmehrheit zu folgen, damit Sicherheit herrsche, was denn alles als Biodiversitäts-Kernzone gelten soll. Auch die Mehrheit der FDP wollte im Interesse der Versorgungssicherheit lieber Prozentzahlen festlegen.

Nichteintreten auf Gegenvorschlag abgelehnt

Zuvor hat es der Nationalrat mit 106 zu 78 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt, nicht auf die Änderung des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz (NHG) einzutreten. Der Antrag kam von der SVP.

Das NHG plus einige dazugehörige Erlasse bilden die Grundlage für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates. Über die Abstimmungsempfehlung zur Initiative wird der Rat befinden, wenn er die Detailberatung zum NHG abgeschlossen hat.

Vor dem Eintreten hatte sich am Montag und Dienstag ein regelrechter Redemarathon abgespielt, an dem sich Dutzende von Nationalrätinnen und -räte beteiligten. Die bundesrätliche Vorlage wollte ursprünglich zusätzlich zum bestehenden Schutzgebiet etwa die Fläche des Kantons Luzern neu unter Schutz stellen lassen. Dies stellte sich als umstritten heraus. Mit dem Entscheid vom Dienstag ist dies nun wohl vom Tisch.

Mike Egger (SVP/SG) kritisierte die Vorlagen als «weitere Nebelpetarde für die Sinne», die der Bevölkerung falsche Versprechen mache und die Versorgungssicherheit der Schweiz weiter einschränke.

Die Vielfalt einer intakten Natur habe einen hohen emotionalen Wert für das Wohlbefinden der Menschen. Eine hohe Biodiversität sei aber ebenso wichtig für die Funktionalität vieler Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft, hielt Aline Trede (Grüne/BE) dagegen.