Micheline Calmy-Rey Alt Bundesrätin warnt vor einer Welt voller «starker Männer»

Von Fabienne Berner, Nicolas Barman und Alex Rudolf

7.6.2022

Micheline Calmy-Rey: «Niemand hat den Bundesrat so richtig verstanden»

Micheline Calmy-Rey: «Niemand hat den Bundesrat so richtig verstanden»

Die ehemalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey kennt sich auf dem internationalen Parkett der Diplomatie bestens aus. Im Video-Interview mit blue News erklärt sie, was der Bundesrat hätte besser machen können.

02.06.2022

Die ehemalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey kennt sich auf dem internationalen Parkett der Diplomatie bestens aus. Im Video-Interview mit blue News erklärt sie, was der Bundesrat in Sachen Neutralität hätte besser machen können.

Von Fabienne Berner, Nicolas Barman und Alex Rudolf

Wie soll sich die Schweiz verhalten, wenn in der Welt Krieg herrscht? Die Antwort darauf fällt je nach Auslegung der Neutralität anders aus. Eine, die sich auf die Fragen rund um die Schweizer Neutralität spezialisiert hat, ist Micheline Calmy-Rey. Zwischen 2003 und 2011 sass die Genferin für die SP im Bundesrat und war Aussenministerin. Heute dozierte sie an der dortigen Universität  am Global Studies Institute.

Nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine, sorgte eine Medienkonferenz von Ignazio Cassis für Aufsehen. Er liess seine Spitzen-Beamten vor die Medien treten, zog sich aber nach einer kurzen Rede zurück. Eine, die diesen Auftritt kritisierte, war Calmy-Rey.

Hat der Bundesrat vergessen, wie er mit der Bevölkerung kommuniziert? «Er hat vergessen zu sagen, was seine Position ist», sagt Calmy-Rey im Video. Und weiter: «Niemand hat den Bundesrat so richtig verstanden.» Auch dass er einen neuen Begriff, jenen der kooperativen Neutralität erfindet, mache die Angelegenheit nicht klarer.

«Starke Männer» dominieren

Die Neutralität stehe in den kommenden Jahren vor grossen Herausforderungen. Einerseits gehe es um den Kriegsbegriff, denn dieser sei komplexer geworden. «Gewisse Konflikte, die heute als Bürgerkriege bezeichnet werden, umfasst der Kriegsbegriff nicht mehr.» Da müsse die internationale Gemeinschaft nachbessern.

Besorgt zeigt sich Calmy-Rey auch darüber, dass «starke Männer» die internationalen Beziehungen bestimmen. Der Multilateralismus – die Lösungsfindung unter mehreren Staaten – werde dadurch geschwächt.

Den Vorwurf, die Schweiz habe ihre Neutralität aufgegeben, hält Calmy-Rey für verrückt. Denn die Schweiz wende das Neutralitätsrecht an. Hätte sie keine Sanktionen gegen Russland übernommen, so hätte sich die Schweiz auf die Seite Russlands gestellt und hätte entsprechend mit Sanktionen von der EU und den USA rechnen müssen.

Das vollständige Interview mit Micheline Calmy-Rey erscheint diese Woche auf blue News.