Experten zum Rahmenabkommen «Die Beziehungen zur EU sind für die Schweiz nicht zu ersetzen»

SDA

28.5.2021 - 11:07

Bundespräsident Guy Parmelin am 23. April 2021 beim Treffen mit der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen. 
Bundespräsident Guy Parmelin am 23. April 2021 beim Treffen mit der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen. 
Bild: Keystone

Nach dem Abbruch der Verhandlungen mit der EU zum Rahmenabkommen ist die Verunsicherung gross. Ökonomen geben zunächst Entwarnung – allerdings könnten andere Länder die Probleme mit der EU nicht auffangen.

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Nach Meinung von Ökonomen dürften nach dem geplatzten Rahmenabkommen auf die Schweiz keine direkten Folgen zukommen – vorerst. Am Mittwoch waren die seit über sieben Jahren laufenden Verhandlungen ohne Ergebnis zu Ende gegangen.

Karsten Junius, Chefökonom bei J. Safra Sarasin, spricht in einer ersten Einschätzung gegenüber der Nachrichtenagentur AWP von einem «Realitätsschock», der sich allerdings schon länger abgezeichnet habe. «Die Entscheidung wirkt allerdings nicht als Schock für die Wirtschaft», beruhigt der Experte direkt. Er geht denn auch nicht davon aus, dass Unternehmen oder Arbeitnehmer plötzlich abwandern.



Eine gewisse Entwarnung gibt auch Chefökonom Martin Neff von Raiffeisen Schweiz. «Wir sehen aktuell keine unmittelbaren Folgen», so seine Einordnung. Nun gelte es, die weitere Entwicklung genau zu beobachten. «Viel hängt nun von der weiteren Ausgestaltung des Verhältnisses zur EU ab», so Neff. An seinen Prognosen will der Experte zum jetzigen Zeitpunkt nichts ändern, da allfällige Konsequenzen noch kaum seriös quantifiziert werden könnten.

Sein Kollege Junius befürchtet ebenfalls keine plötzlichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt oder die Wirtschaft insgesamt, sondern eine schleichende Erosion der Beziehungen zur EU. «Regelungen, die bisher gut funktioniert haben, werden an die sich verändernde Realität nicht mehr so zeitnah angepasst. Aber statt zu einem Wirtschaftseinbruch dürfte dies eher die mittelfristige Produktivitätsentwicklung belasten», so seine Erwartung.

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Nur Medtech-Branche akut betroffen

Akut betroffen sei derzeit ja «lediglich» die Medtech-Branche, erinnert Neff. Weil das Konformitätsabkommen mit der Schweiz nicht aktualisiert wurde, seien die administrativen Hürden gestiegen. Über die Zeit könnten bei Nichtverlängerung anderer Branchenabkommen dann aber auch weitere Bereiche wie etwa der Maschinenbau betroffen sein.



Ein Nicht-Abschluss des Stromabkommens könnte über die Zeit auch die Schweizer Versorger belasten, so Neff weiter. Früher oder später könnten dann auch landwirtschaftliche Erzeugnisse oder der Land- und der Luftverkehr die Auswirkungen der Nicht-Verlängerung spüren.

EU für Schweiz nicht ersetzbar

Der Idee, dass andere Länder die Probleme mit der EU auffangen könnten, erteilen beide Experten eine Absage. Zwar sind laut Neff neue Freihandelsabkommen natürlich immer ein Weg, die Absatzkanäle der Exporteure zu verbreitern. «Tief hängende Früchte gibt es hier aber kaum», so der Ökonom. Denn mit vielen potenziellen Freihandelspartnern seien die Differenzen meist nochmals deutlich grösser als im Falle des Rahmenabkommens.

«Die Beziehungen zur EU sind für die Schweiz nicht zu ersetzen», bringt es Junius auf den Punkt. Die Schweizer Exporte in die EU seien rund doppelt so hoch wie die Exporte nach Asien, Afrika, Süd- und Mittelamerika zusammen. «Ich sehe derzeit keine Szenarien für einen neuen Zeitplan. Das ist vielleicht sogar das Deprimierendste», schliesst Junius.