Vorstoss im Nationalrat Online-Shopper sollen nicht mehr für gestohlene Sendungen haften

smi

15.6.2024

Nach geltendem Gesetz haftet die Person, die diesen Kinderwagen bestellt hat, auch wenn er unterwegs verloren geht oder vor der Haustür gestohlen wird.
Nach geltendem Gesetz haftet die Person, die diesen Kinderwagen bestellt hat, auch wenn er unterwegs verloren geht oder vor der Haustür gestohlen wird.
Bild: imago images/Geisser

Wer online etwas bestellt, es aber nicht oder beschädigt erhält, hat kein Anrecht auf Ersatz. Nationalrätin Michaud Gigon schlägt eine Gesetzesänderung vor, sodass das Risiko fortan beim Anbieter liegt.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In der Schweiz tragen beim Versandhandel die Käufer*innen das Risiko, falls ihr bestelltes Produkt verloren geht oder gestohlen wird.
  • Nationalrätin Sophie Michaud Gigon (GP/VD) schlägt vor, das Obligationenrecht zu ändern und den Anbieter haftbar zu machen, bis eine bestellte Ware in der Obhut der Käuferin oder des Käufers ist.
  • In der EU ist dies schon seit über zehn Jahren so geregelt.

Es ist eines der Frusterlebnisse unserer Zeit: Der Kurierdienst hat das bestellte Produkt ausgeliefert, doch die Kundin findet kein Paket, als sie nach Hause kommt. Schlimmer noch: Die Kosten bleiben an der Kundin hängen. Sie hat kein Anrecht auf Ersatz der Lieferung, die sie bezahlt, aber nie erhalten hat.

Die Regel stammt wie so viele aus dem römischen Recht: Mit dem Kauf geht das Risiko auf die kaufende Person über. Das gilt auch bei Versandhandel und Onlineshopping, wo das gekaufte Objekt im Moment der Geldüberweisung nicht in die Hand des Käufers oder der Käuferin übergeht, sondern erst Tage bis Wochen später.

Ob ein Paket zwischen Ostasien und der Schweiz verloren geht, oder aus dem Treppenhaus geklaut wird, spielt keine Rolle. Die Adressatin oder der Adressat trägt das Risiko.

Nationalrätin Sophie Michaud Gigon (GP/VD) will das ändern. Als Generalsekretärin des Westschweizer Konsumentenschutz-Verbands sei sie regelmässig mit solchen Situationen konfrontiert, erzählt sie in der «Handelszeitung». 

Versandhandel soll das Risiko tragen

In einer Interpellation fordert Michaud Gigon den Bundesrat auf, zu prüfen, ob diese im Schweizer Obligationenrecht verankerte Regel den Kaufgewohnheiten des Onlineshoppings noch entspreche. Weiters solle der Bundesrat klären, ob die Gesetzesregel so geändert werden muss, dass das Risiko erst dann auf die Kaufpartei übergeht, wenn sie das bestellte Gut in den Händen hält – juristisch ausgedrückt: «Wenn die Sachherrschaft auf sie übergegangen ist.» Umgekehrt würde dann der Versandhandel haften, bis das Produkt beim Kunden oder der Kundin eingetroffen ist. 

In der EU gilt diese Regel schon seit 2011, schreibt die «Handelszeitung». Ob eine Sendung verloren geht, beschädigt oder gestohlen wird, das finanzielle Risiko trägt der Anbieter der Ware, wie aus Informationen der EU zu Versand und Lieferung hervorgeht. Käufer*innen haben sogar Anrecht auf Schadenersatz, wenn ein Produkt erst nach der genannten Lieferfrist eintrifft.

Swiss Retail Federation und IG Detailhandel, die zwei Schweizer Verbände, die Versandhandel abdecken, wollen den Vorstoss nicht kommentieren, sondern warten bis der Bundesrat die Interpellation Michaud Gigon beantwortet hat. 

Menschen in der Schweiz haben 2023 Waren im Wert von 14,4 Milliarden Franken online bestellt, hat das Marktforschungsinstitut GfK ermittelt. Laut BFS kommt es in 8 Prozent der Fälle zu Problemen. Ändert das Parlament das Gesetz im Sinne der Interpellation, dann sind diese 8 Prozent dereinst nicht mehr das Problem der Käufer*innen, sondern der Anbieter.