BundesrichterwahlParlament empfiehlt Justizinitiative alternativlos zur Ablehnung
gg, sda
10.6.2021 - 11:34
Der Ständerat empfiehlt die Justizinitiative, die Bundesrichterinnen und Bundesrichter per Los bestimmen will, wie der Bundesrat und der Nationalrat zur Ablehnung. Er will das Wahlverfahren aber – unabhängig von der Justizinitiative – punktuell verbessern.
Keystone-SDA, gg, sda
10.06.2021, 11:34
SDA
Die Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justizinitiative)» setzt auf grundlegend neue Pfeiler: Bundesrichter sollen künftig per Los bestimmt werden und bis fünf Jahre nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters im Amt bleiben. Nur bei schweren Verletzungen der Amtspflicht oder Krankheit soll es ein Abberufungsrecht durch die Vereinigte Bundesversammlung geben. Die Auswahl der Kandidierenden soll durch eine noch zu gründende neue Fachkommission erfolgen und nicht wie heute durch die Gerichtskommission.
Die Initianten argumentieren, dass es heute in der Schweiz keine Gewaltentrennung gebe, weil Richterinnen und Richter den Parteien für das Bundesrichteramt Geld geben müssen. Damit werde die Judikative zum verlängerten Arm der Legislative. Das soll sich mit dem Losverfahren ändern. Mit der Abschaffung der Wiederwahl wollen die Initianten zusätzlich verhindern, dass das Parlament durch Abwahl-Drohungen politischen Druck auf die Justiz ausüben kann.
«Wählen statt würfeln»
Sowohl die vorberatende Rechtskommission des Ständerats (RK-S) als auch das Plenum lehnten die Initiative oppositionslos ab. Das bestehende System funktioniere gut, und die Wahl durch das Parlament verschaffe dem ganzen Verfahren demokratische Legitimität, lautete der Tenor am Donnerstag.
«Das heutige Verfahren hat sich in der überwältigenden Mehrheit der Fälle bewährt», sagte RK-S-Präsident Beat Rieder (Mitte/VS). Die Schweiz habe eine der weltweit besten Justizsysteme, die Qualität der Rechtsprechung sei intakt.
«Losen sollte man nur dort, wo man kein Entscheidkriterium hat», hielt Andrea Caroni (FDP/AR), Präsident der parlamentarischen Gerichtskommission (GK), fest. Es gelte das Motto «Wählen statt würfeln, Demokratie statt Lotterie».
Gegenvorschlag abgelehnt
Mit 26 zu 8 Stimmen (Eintreten) respektive 30 zu 10 Stimmen (Gesamtabstimmung) abgelehnt wurde der Antrag der Ratslinken, die Bundesrichterinnen und Bundesrichter alle sechs Jahre stillschweigend wiederzuwählen. Der als direkte Gegenentwurf konzipierte Vorschlag konnte bei der bürgerlichen Mehrheit niemanden überzeugen. Zwar verzichte dieser richtigerweise auf das Losverfahren, würde aber deshalb kaum dazu führen, dass die Initianten ihr Anliegen zurückziehen, gab Rieder zu bedenken.
Lisa Mazzone (Grüne/GE) konterte, sie wolle mit dem Gegenvorschlag zum Ausdruck bringen, dass die Initiative durchaus einen Nerv treffe. Das heutige Verfahren sei nicht über jeden Zweifel erhaben.
«Jede Schaumschlägerei bei der Wiederwahl kann dazu führen, dass das System diskreditiert wird», sagte Mathias Zopfi (Grüne/GL) und erwähnte die Querelen um Bundesrichter Yves Donzallaz, dem die SVP das Vertrauen entzogen hatte. Zopfi folgerte: «Richterwahlen dürfen nicht politisiert werden.»
Offene Türen für sanfte Reform
Das deutliche Ergebnis gegen die Initiative und den direkten Gegenvorschlag bedeutet nicht, dass die Ständerätinnen und Ständeräte keinen Handlungsbedarf sehen. Einige wollen, dass das Wahlverfahren – unabhängig von der Initiative – leicht angepasst wird.
Nach Antrag der RK-S soll die Gerichtskommission zur Begleitung ihrer Auswahlverfahren künftig einen Fachbeirat einsetzen und beiziehen können. Dieser Entscheid fiel in der Kommission mit 6 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen.
Die Schwesterkommission des Nationalrats muss dieser parlamentarischen Initiative noch zustimmen, bevor ein entsprechender Gesetzesentwurf ausgearbeitet werden könnte. In der grossen Kammer waren in der Frühjahrssession ebenfalls Stimmen zu hören, die für eine sanfte Reform weibelten. Die möglichen Schritte müssten aber in aller Ruhe geprüft werden.
Kein dringender Handlungsbedarf
Justizministerin Karin Keller-Sutter sieht ebenfalls keinen unmittelbaren Handlungsbedarf, an der geltenden Praxis für die Wahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter etwas zu ändern. Deshalb sei der Bundesrat auch gegen den Gegenvorschlag. Kleinere Justierungen seien auch unter dem geltenden Recht möglich.
Die Einführung des Losentscheides wäre systemfremd, sagte Keller-Sutter. Losverfahren würden der politischen Tradition der Schweiz widersprechen und wären Fremdkörper in der Gesetzgebung. «Gewählt würden nicht die fähigsten Personen, sondern die mit dem meisten Glück.»
Das Geschäft ist mit der einhelligen Nein-Empfehlung zur Volksinitiative bereit für die Schlussabstimmung.
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