Reform der 2. Säule Ständerat will die Hälfte der Rentner*innen entschädigen 

Von Gil Bieler

12.12.2022

Es geht um grosse Fragen in der kleinen Kammer: Der Aargauer Ständerat und FDP-Parteichef Thierry Burkart beugt sich über Unterlagen.
Es geht um grosse Fragen in der kleinen Kammer: Der Aargauer Ständerat und FDP-Parteichef Thierry Burkart beugt sich über Unterlagen.
Archivbild: Keystone

Die Renten der zweiten Säule sinken mit der BVG-Reform. Der Ständerat will die Folgen für eine Übergangsgeneration abfedern: Jeder und jede zweite Betroffene soll eine lebenslängliche Entschädigung erhalten.

Von Gil Bieler

12.12.2022

Es ist ein Mammutprojekt: Die berufliche Vorsorge (BVG) muss überarbeitet werden. Der Ständerat hat bereits zu Beginn der Wintersession erste Entscheide gefällt. Dabei ging es um den sogenannten Koordinationsabzug. Die Beratungen gingen aber zu lange, als dass die kleine Parlamentskammer in einem Rutsch fertig geworden wäre.

Am heutigen Montag ging es darum weiter – und zwar um das Herzstück der Reform, die Senkung des Umwandlungssatzes. Am frühen Abend wurde eine Einigung erzielt. Das musst du dazu wissen.

Umwandlungssatz: Worum geht es?

Der Umwandlungssatz der zweiten Säule soll gesenkt werden, von 6,8 auf 6,0 Prozent. Von diesem Prozentsatz hängt ab, wie hoch die Pensionskassen-Rente ausfällt. Pro 100'000 Franken obligatorisches Altersguthaben gibt es heute eine Rente von 6800 Franken pro Jahr. Künftig wären es noch 6000 Franken.

Warum gibt es Streit im Parlament?

Es geht um die 15 Jahrgänge, die nach Inkrafttreten der Reform pensioniert werden. Respektive: um die Frage, wie die Betroffenen für die gekürzten Renten entschädigt werden.

Was hat der Ständerat entschieden?

50 Prozent der Übergangsgenerationen sollen von einem lebenslangen Rentenzuschlag profitieren. Wie hoch dieser ausfällt, richtet sich nach dem angesparten Pensionskassen-Guthaben.

Wer zum Zeitpunkt der Pensionierung über ein Altersguthaben von 215'100 Franken oder weniger verfügt, soll den vollen Zuschlag erhalten. 

Versicherte mit einem Altersguthaben zwischen 215'100 und 430'200 Franken haben laut dem Vorschlag ebenfalls Anspruch auf einen Zuschlag, wobei der Betrag aber je nach Altersguthaben abgestuft angepasst wird.

Wer mehr als 430'200 Franken angespart hat, erhält keinen Zuschlag.

Der Ständerat folgte damit einem Modell, das die zuständige Kommission für Sicherheit und Gesundheit vorgeschlagen hatte. Die Vorlage geht jetzt wieder in den Nationalrat.

Was will der Nationalrat?

Der Nationalrat zeigte sich weniger grosszügig als der Ständerat. Die grosse Kammer beschloss vor fast genau einem Jahr, dass rund 35 bis 40 Prozent der Rentner*innen der 15 Übergangsjahrgänge eine Kompensation für die tiefere Rente erhalten sollten, abgestuft nach Jahrgängen.

Der Nationalrat wich damit vom Kompromissvorschlag ab, auf den sich die Sozialpartner geeinigt hatten und den auch der Bundesrat unterstützte. Dieser Kompromiss sah Zuschläge für alle Neurentner*innen vor.

Wie teuer sind die unterschiedlichen Modelle?

Die Gesamtkosten für das vom Ständerat beschlossene Konzept werden auf rund 11,7 Milliarden Franken geschätzt. Bei der Variante des Nationalrats wären es gut neun Milliarden Franken. Die Lösung der Sozialpartner, hinter der auch der Bundesrat steht, wäre mit 30 Milliarden Franken am teuersten, weil hier alle Versicherten Zuschüsse erhalten sollen.

Wer ist jetzt unzufrieden?

Die Gewerkschaften, aber auch Politiker*innen aus dem links-grünen Lager stellten bereits vor den Beratungen im Ständerat klar, dass eine Kompensation für 50 Prozent der Betroffenen zu wenig sei.

Die SP teilte auf Twitter bereits an, dass sie das Referendum prüfe. Den Beschluss des Ständerats kritisiert sie insbesondere als ungenügend für Frauen ohne Einkommen und für Geringverdienende. 

Zurück zum Koordinationsabzug: Was hat der Ständerat hierzu beschlossen?

Der Ständerat hat in den Beratungen vom 29. November entschieden, dass im obligatorischen Teil der BVG neu 15 Prozent des AHV-pflichtigen Lohnes als Koordinationsabzug gelten sollen. Dieser Betrag wird in der zweiten Säule vom massgebenden Lohn (Bruttojahreslohn) abgezogen. So erhält man den versicherten Lohn.

Heute gibt es bei diesem Abzug einen Fixbetrag von rund 25'100 Franken. Dieser relativ hohe Abzug führt dazu, dass Arbeitnehmende mit tiefen Löhnen oder solche, die für mehrere Arbeitgeber arbeiten, ihr Einkommen nicht oder kaum in einer Pensionskasse versichern können. Ihnen fehlt damit die BVG-Rente fürs Alter.

Und was will der Nationalrat?

Der Nationalrat möchte wie bisher an einem fixen Koordinationsabzug festhalten, diesen aber von heute knapp über 25'000 auf rund 12'500 Franken halbieren. Dies wäre die administrativ einfachere Lösung, lautet ein Argument aus den Reihen der FDP. Auch über diesen Punkt – genau wie über die Kompensationszahlungen – wird der Nationalrat nun noch einmal diskutieren müssen. 

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

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