«Absolutistische Fürsten»Schweizer Presse stellt die Macht der Bischöfe in Frage
sda
13.9.2023 - 05:17
Über 1000 Missbrauchs-Fälle in der Schweizer katholischen Kirche
Katholische Kleriker und Ordensangehörige haben in der Schweiz seit 1950 mindestens 1002 Fälle von sexuellem Missbrauch begangen. Das zeigt eine Analyse von Geheimarchiven kirchlicher Institutionen durch Historikerinnen und Historiker der Universität Zürich (UZH).
13.09.2023
Die Schweizer Presse hat in den Kommentarspalten die lange Untätigkeit der katholischen Kirche angesichts sexueller Missbrauchsfälle gerügt. Insbesondere an der Macht der Bischöfe müsse gerüttelt werden, schrieben mehrere Zeitungen in ihren Ausgaben von Mittwoch.
Keystone-SDA, sda
13.09.2023, 05:17
13.09.2023, 05:29
SDA
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
In Kommentaren in Schweizer Zeitungen zu den mindestens tausend Missbrauchsfällen in den letzten Jahrzehnten in der katholischen Kirche in der Schweiz wird die Macht der Bischöfe in Frage gestellt.
In der Schweizer katholischen Kirche kam es seit 1950 zu mehr als 1000 Fällen von sexuellem Missbrauch.
Das zeigt eine Analyse von Geheimarchiven kirchlicher Institutionen durch Historikerinnen und Historiker der Universität Zürich.
Bei der Zahl soll es sich um die Spitze des Eisbergs handeln.
Die katholische Kirche habe die Öffentlichkeit getäuscht, schrieb der «Tages-Anzeiger» in seiner Ausgabe von Mittwoch. Die Forscherinnen und Forscher der Universität Zürich, welche über 1000 sexuelle Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche am Dienstag publik gemacht hatten, seien auch in Geheimarchive der Kirche gestiegen. «Das hätte die Kirche schon vor Jahren tun können», schrieb der «Tages-Anzeiger».
Die Bischöfe hätten sich nicht um die Leider der Betroffenen, sondern um die Reputation der katholischen Kirche gesorgt, schrieben die Zeitungen von CH Media. «Kein Schatten durfte auf die Institution fallen», hiess es im Kommentar der CH-Media-Titel. Begünstigt habe dies die nicht hinterfragte gesellschaftliche Machtstellung der Kirche. «Die Halbgötter in Schwarz waren Autoritäten, an denen man nicht rüttelte – mit fatalen Folgen», schrieb CH Media weiter.
Die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) stellte Bischöfe mit absolutistischen Fürsten gleich. Die Bemühungen des mit einer Voruntersuchung beauftragten Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, würden nicht reichen, solange die Bischöfe die Machtbefugnisse von Fürsten hätten. Es brauche eine Gewaltentrennung wie im weltlichen Bereich. «Es darf nicht ein befangener Bischof sein, der das letzte Wort hat», hiess es im Kommentar der NZZ weiter.
Das kirchliche Strafrecht habe sich allzu oft «als stumpfe Waffe gegen übergriffige Priester erwiesen», schrieb die NZZ. Das Kirchenrecht stamme aus dem Mittelalter, schrieb die Freiburger Zeitung «La Liberté». Nach Auffassung von «Le Temps» wäre ein unabhängiges Gericht ein positives Signal.
«Ein Kulturwandel fällt nicht vom Himmel», hiess es im Kommentar von «Blick». Insbesondere die Politik müsse den Druck auf Rom erhöhen: «Denn der grösste Bremser bei Kirchenreformen ist nach wie vor der Papst persönlich.» Kirchensteuern und Subventionen sollten künftig an strengere Bedingungen geknüpft werden. Als mögliche Bedingung nannte «Blick» etwa ein Personal-Management, für das nicht die Bischöfe verantwortlich sind. Auch für «Blick» stand fest: «Als Oberhirten haben die Bischöfe auf ganzer Linie versagt.»