Tod nach illegaler Party Raver fürchteten, Ambulanz zu rufen – zu Recht?

Von Andrea Moser

1.12.2022

Beim Roggiasca-Stausee im bündnerischen Misox feierten die jungen Raver eine illegale Party. Weil sie Angst hatten, aufzufliegen, riefen sie nicht die Ambulanz, als es einer 19-Jährigen schlecht ging.
Beim Roggiasca-Stausee im bündnerischen Misox feierten die jungen Raver eine illegale Party. Weil sie Angst hatten, aufzufliegen, riefen sie nicht die Ambulanz, als es einer 19-Jährigen schlecht ging.
Keystone 

Drogen an einer Party konsumieren wird beliebter, bleibt aber mit enormen Risiken verbunden: Experten antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Andrea Moser

In der Nacht auf Montag ist die 19-jährige G.P. nach einem illegal organisierten Outdoor-Rave im Spital in Bellinzona verstorben.

Die genaue Todesursache ist noch unbekannt. Ein alter Schulfreund der 19-Jährigen vermutet jedoch, dass ihr Drogenkonsum entscheidend gewesen sein dürfte, wie er dem Newsportal «20 Minuten» berichtet.

blue News hat bei den zwei Experten Hans-Jakob Deinzer, Sozialarbeiter bei der Stiftung Contact Nightlife/Rafe it save und bei Dominique Schori, Teamleiter beim Drogeninformationszentrum der Stadt Zürich (DIZ) nachgefragt, was den Drogenkonsum an Partys so risikoreich macht.

Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Worauf ist beim Drogenkonsum grundsätzlich zu achten?

«Eines ist klar: Drogenkonsum ist immer mit einem Risiko verbunden», sagt Hans-Jakob Deinzer. Wichtig sei, dass sich die Konsument*innen schon vorher mit der Substanz auseinandersetzen. Denn Drogen wirken auf das Gehirn. «Psychoaktive Substanzen können sowohl das Positive als auch das Negative verstärken», sagt Deinzer. Deshalb sei die psychische Verfassung gerade bei psychedelischen Substanzen wie LSD sehr wichtig: «Ist man schlecht drauf und konsumiert dann LSD, kann das psychisch in jegliche Richtung gehen, also auch in einem Horrortrip enden», so der Experte. Zudem sollen sich die Leute vor dem Konsumieren fragen, ob die Substanz auch zum entsprechenden Ort passe, denn die äusseren Einflüsse würden die Wirkung auch beeinflussen, so Deinzer.

Dominique Schori vom Drogeninformationszentrum der Stadt Zürich (DIZ) ergänzt: «Die Drogen kommen von einem illegalen Markt, dort weiss man nie, was man bekommt und ob tatsächlich das drin ist, was einem beim Kauf gesagt worden ist.» Er empfiehlt deshalb, die Substanzen vor dem Konsumieren kostenlos testen zu lassen: «Solche Drug-Checking-Angebote gibt es in verschiedenen Schweizer Städten.» So wisse die Konsumentin oder der Konsument auch über die Zusammensetzung und Konzentrierung der Substanz Bescheid.

Das sei denn auch bei der Dosierung wichtig. «Die Menschen machen sich zwar dadurch strafbar, dass sie diese Substanzen besitzen und konsumieren. Die Mitarbeiter beim Drug-Checking unterstehen aber einer Schweigepflicht.» Die Sorge, dass plötzlich die Polizei da stehe, sei unbegründet, so Schori.

Welche Substanzen werden in der Partyszene momentan besonders häufig konsumiert? 

«Seit zwei, drei Jahren wird bei uns beim Drug-Checking am häufigsten Kokain abgegeben. Danach kommen Amphetamine und MDMA, wobei man gerade an Partys eine Häufung von MDMA sieht», sagt Deinzer.

Das bestätigt auch Schori. Dazu komme aber noch ein eher neues Phänomen: «Problematisch ist, dass sehr junge Menschen dämpfende Substanzen zusammen konsumieren.» Als Beispiel nennt er das Mischen von Alkohol und Benzodiazepinen wie Xanax oder opioidhaltige Schmerzmittel. «Das wird relativ schnell lebensbedrohlich, wenn hohe Dosierungen im Spiel sind», sagt Schori.

Warum ist Mischkonsum so gefährlich? 

Werden verschiedene Substanzen gleichzeitig konsumiert, spricht man vom Mischkonsum. «Bei Mischkonsum ist 1+1 nicht gleich 2, sondern es kann alles Mögliche ergeben», sagt Deinzer von Contact Nightlife. Würden mehr als zwei Substanzen konsumiert, was durchaus vorkomme, dann könne man nicht mehr abschätzen, was passieren werde, so Deinzer und nennt als Beispiel den gängigen Mix von Alkohol und Kokain.

Schori ergänzt: «Am gefährlichsten sind immer Substanzen, die ein ähnliches Wirkspektrum haben.» Konkret zum Beispiel Substanzen, die eine dämpfende oder aufputschende Wirkung haben. Dann bestehe immer die Gefahr, dass das Herz-Kreislaufsystem aussteige, so Schori.

Dämpfende etwa, wenn jemand Alkohol mit opioidhaltigen Schmerzmitteln oder mit starken Schlaf- und Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen mische, erzählt Schori.

Aufputschend sei die Mischung von Substanzen wie Amphetamin und Kokain.

Laut Schori seien dies die beiden gefährlichsten Kombinationen.

Was ist während dem Konsum selbst besonders wichtig?

«Wichtig ist sicher, dass man genug Flüssigkeit zu sich nimmt. Selbstverständlich keine alkoholischen Getränke», sagt Schori und fügt an: «Sehr wichtig ist auch, dass man zueinander schaut.»

Ab wann muss man reagieren?

Um einen Notfall handelt es sich spätestens dann, wenn jemand nicht mehr ansprechbar oder gar bewusstlos ist. «Grundsätzlich empfehlen wir immer, lieber einmal zu viel den Notruf zu wählen als einmal zu wenig», sagt Schori. 

Im Fall der Party im Misox hatten Partygäste Angst vor den Konsequenzen und haben darum den Notruf nicht alarmiert.

Rettungssanitäter unterstehen der Schweigepflicht. Ruft ein Partygast den Notruf, muss er am Telefon nicht erwähnen, dass es sich um einen Drogenfall an einem illegalen Rave handelt. «Das interessiert die Spitäler und Ambulanzen schlussendlich nicht. Dort steht das Überleben im Vordergrund», sagt Schori.

Wird der Notruf dagegen gar nicht oder zu spät alarmiert, kann das als unterlassene Hilfeleistung verstanden werden. In Misox starb eine junge Frau, weil sie zu spät ins Spital gebracht worden ist. «Das kann man nie mehr lösen. Das bleibt einem ein Leben lang», sagt Schori.