Verkehrssicherheit So ist die Lebensgefahr auf der Strasse am grössten

Von Stefan Michel

10.6.2023

Das Risiko, auf dem Velo zu sterben, ist höher als im Auto. Wo die Gefahr am grössten ist, ist weniger klar. 
Das Risiko, auf dem Velo zu sterben, ist höher als im Auto. Wo die Gefahr am grössten ist, ist weniger klar. 
Bild: KEYSTONE

Wo ist der Strassenverkehr am gefährlichsten? Die Wissenschaft tut sich schwer mit einer Antwort. Klarer ist das Bild bei der Art des Verkehrsmittels: Am grössten ist das Sterberisiko auf dem Motorrad.

Von Stefan Michel

10.6.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Je mehr Verkehr fliesst, desto mehr Unfälle passieren. Wo die Gefahr eines Unfalls am höchsten ist, lässt sich hingegen nur schwer errechnen.
  • Unfall-Faktor Nummer eins ist der Mensch.
  • E-Bike-Unfälle nehmen stärker zu als ihre Verkaufszahlen. Doch auch wie viele E-Bike-Kilometer effektiv zurückgelegt werden, ist nicht bekannt.
  • Das gefährlichste Verkehrsmittel nach vorliegenden Zahlen ist das Motorrad.

«Gemessen an der Einwohnerzahl lebt man in Uri am gefährlichsten», war gestern in «20 Minuten» zu lesen. Die Frage ist: Welche Aussagekraft hat es, die Einwohnerzahl eines Kantons mit den Unfallzahlen ins Verhältnis zu setzen? Das Bundesamt für Strassen Astra und ETH-Doktorand David Zani sind sich einig: nicht viel. 

Je mehr Verkehr, desto mehr Unfälle. Auf einer täglich von 100'000 Autos befahrenen Strasse gibt es mehr Unfälle als auf einer mit 1000. 

David Zani, der an der ETH zum Management von Infrastruktur forscht, erklärt blue News, wie das Unfallrisiko in einem definierten Gebiet errechnet werden kann: «Das Unfallrisiko ist das Verhältnis zwischen den effektiv gefahrenen Kilometern und den Unfällen in einem bestimmten Gebiet.» 

Die entscheidende Zahl des Unfallrisikos ist unbekannt

Die Schwierigkeit ist, dass niemand weiss, wie viele Kilometer beispielsweise im Kanton Zürich zurückgelegt werden. «Hinzu kommt eine grosse Dunkelziffer. In die Statistik kommen nur jene Unfälle, die polizeilich gemeldet worden sind», führt Zani aus. «Wir gehen beispielsweise davon aus, dass 90 Prozent der Velo-Selbstunfälle nicht gemeldet werden.»

Im Kanton Zürich passieren insgesamt am meisten Unfälle. Gut möglich, dass im bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz auch die meisten Kilometer zurückgelegt werden. Uri hat wegen des Gotthardverkehrs viel mehr Verkehr, als aufgrund seiner Bevölkerungsgrösse zu erwarten wäre. Das Unfallrisiko in den beiden Kantonen lässt sich aufgrund dieser Zahlen nicht vergleichen.

Fragt sich, was die Forschung sonst über Unfallrisiken im Strassenverkehr weiss. Bekannt ist beispielsweise das Phänomen, dass an Wochenenden mit gutem Wetter mehr Menschen verunfallen. Der Grund auch hier: Es sind mehr Leute unterwegs. Das Astra ergänzt, dass an warmen, schönen Wochenenden besonders die Unfälle mit Zweirädern zunähmen. 

Der wichtigste Unfall-Faktor ist der Mensch

Auf ein ganzes Jahr haben ein paar schöne Sommer-Wochenenden wenig Einfluss. Hingegen könne man durchaus erkennen, ob der Sommer eher trüb war, erklärt Zani. «Wobei bei Nässe oder Eis im Winter das Risiko steigt.» 

Der wichtigste Unfall-Faktor ist aber die Person am Steuer oder der Lenkstange. Das Astra erklärt in seiner schriftlichen Stellungnahme an blue News fest: «Tendenziell scheint der Zustand des Unfallverursachers bzw. der Unfallverursacherin eine wichtige Rolle zu spielen.» Dazu gehörten Alkohol, Medikamente und Betäubungsmittel. Hinzu kämen Unaufmerksamkeit und überhöhte Geschwindigkeit.

2023 gab es auf Schweizer Strassen 18'396 polizeilich gemeldete Unfälle mit Personenschaden. Zun ersten Mal in zehn Jahren ist diese Zahl wieder über 18'000 gestiegen. Allerdings lag sie in der Vergangenheit schon viel höher. 1971 verunfallten fast 30'000 Personen – bei viel weniger Verkehr als heute. Und horrende 1773 liessen dabei ihr Leben. Seither sinkt die Zahl der Strassenverkehrstoten kontinuierlich auf 241 im Jahr 2022. Ein Anzeichen dafür, dass der Verkehr sicherer wird.

Bundesamt für Strassen Astra

E-Bike-Unfälle

In welchem Kanton das Unfallrisiko am höchsten ist, bleibt also unklar. Eine deutliche Aussage liefert das Astra aber dennoch. Das gefährlichste Verkehrsmittel ist nicht das Auto, sondern das Motorrad. Das Risiko beim Motorradfahren zu sterben ist 27-mal so hoch, wie in einem Auto in einen tödlichen Unfall verwickelt zu werden.

E-Bike-Unfälle haben in den letzten 10 Jahren stark zugenommen – von 69 2011 auf 583 2022. Auch die Verkäufe der motorisierten Velos sind steil angestiegen, allerdings nicht so stark wie die Unfälle. Entscheidend wären auch hier die gefahrenen Kilometer. Diese liegen dem Astra nicht vor, wie es schreibt.