Massive Austritte Schweizer kehren der Kirche in Rekordzahl den Rücken

sp, sda

19.11.2020 - 12:12

Im vergangenen Jahr sind in der Schweiz so viele Menschen aus der Kirche ausgetreten wie nie zuvor. (Symbolbild)
Im vergangenen Jahr sind in der Schweiz so viele Menschen aus der Kirche ausgetreten wie nie zuvor. (Symbolbild)
sda

Ein Eintritt auf 34 Austritte: Die katholische Kirche verliert massiv Mitglieder. Die erneuten Rekordaustritte werden auf verlorenes Vertrauen und gesellschaftlichen Wandel zurückgeführt.

Noch nie sind so viele Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten wie im vergangenen Jahr. 31'772 Personen verliessen die katholische Kirche 2019, wie die Kirchenstatistik des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) in St. Gallen zeigt.

Die Zahl der Kirchenaustritte stieg damit um rund ein Viertel – 2018 waren 25'366 Austritte verzeichnet worden, wie das SPI am Donnerstag mitteilte. Und auch das war bereits ein Anstieg um rund ein Viertel gewesen. Die Austrittsrate betrug im vergangenen Jahr über die Gesamtschweiz berechnet durchschnittlich 1,1 Prozent.

Auffällig sind die kantonalen Unterschiede. So verzeichnen die Kantone Genf, Wallis, Neuenburg und Waadt praktisch keine Austritte. Dies lasse sich durch die unterschiedlichen Kirchensteuersysteme erklären, schreibt das SPI. In den genannten Kantonen der Westschweiz entfalle das Motiv des Kirchenaustrittes, um Steuern zu sparen.

In der Schweiz steht, kantonal betrachtet, der Kanton Basel-Stadt an der Spitze mit einer Austrittsquote von 4,9 Prozent, gefolgt von den Aargau (2,2 Prozent) und Solothurn (2,1 Prozent). Am anderen Ende der Skala stehen mit den Kantonen Appenzell-Innerrhoden (0,5 Prozent), Jura (0,8 Prozent) und Uri (0,9 Prozent) katholisch geprägte Landkantone.

Ein Eintritt auf 34 Austritte

In demselben Zeitraum sind 885 Personen in die katholische Kirche eingetreten. Auf 34 Austritte kommt also ein Eintritt. Etwa die Hälfte der Ausgetretenen sind ledig, dahinter folgen verheiratete Personen (rund 35 Prozent) , rund zehn Prozent sind geschieden. Männer verlassen die Kirche etwas häufiger als Frauen.

Die meisten Austritte erfolgen im Alter zwischen 31 und 50 Jahren, dahinter folgt die Alterskategorie 16 bis 30 Jahre. Auffällig ist aber der deutlich zunehmende Anteil bei den 51- bis 65-Jährigen. Zwar erkläre das steigende Durchschnittsalter in der Schweiz einen Teil dieses Trends, schreibt das SPI. Der Anstieg sei dennoch bemerkenswert: Im Jahr 2011 waren noch 16 Prozent aller Ausgetretenen in diesem Alterssegment, im vergangenen Jahr waren es bereits knapp ein Viertel (24 Prozent).

Verlorenes Vertrauen

Als Grund für die starke Zunahme der Austritte nennt das SPI die Aufdeckung von Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche in den vergangenen Jahren. Diese habe das Vertrauen in die Kirche erschüttert. Aber auch die öffentlichen Debatten um die Sexualmoral der Kirche, um den Zugang wiederverheirateter Geschiedener zum Empfang der heiligen Kommunion oder um die Stellung der Frau innerhalb der Kirche führte zu stark steigenden Zahlen.

Das SPI weist aber darauf hin, dass nicht alle Probleme der katholischen Kirche «hausgemacht» seien, sondern derzeit ein grundsätzlicher Wandel der kirchlichen Zugehörigkeit stattfinde. Das zeige der Vergleich mit der evangelisch-reformierten Kirche. Das Bild dort ähnle dem der katholischen Kirche.

Im Jahr 2019 sind demnach 26’198 Menschen aus der evangelisch-reformierten Kirche ausgetreten. Gegenüber dem Jahr 2018 erlebte die evangelisch-reformierte Kirche eine Zunahme der Austritte um 18 Prozent.

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