SP verliert Sozialdemokraten: Wie weiter nach dem Wahldebakel?

Von Anna Kappeler

22.10.2019

Trotz Wahlverlusten: Für SP-Präsident Christian Levrat muss es «jetzt weitergehen».
Trotz Wahlverlusten: Für SP-Präsident Christian Levrat muss es «jetzt weitergehen».
Bild: Keystone

Während SP-Chef Christian Levrat trotz Verlusten «das wichtigste Wahlziel erreicht» hat, läuft bereits eine Diskussion über die künftige Ausrichtung der Partei. Und über einen allfälligen Rücktritt Levrats.

Die persönliche Bilanz von SP-Präsident Christian Levrat zu den Wahlen lässt aufhorchen: «Aber am Wichtigsten ist, dass die Linke zulasten der Rechten zugelegt hat.» Das schreibt Levrat in seinem Newsletter vom Montag. Und weiter: Damit sei das «wichtigste Wahlziel erreicht».

Das wichtigste Wahlziel erreicht? Die SP hat bei den Wahlen überraschend verloren. Der von Levrat erwähnte Linksrutsch ist den Grünen und ihrem Erdrutschsieg zu verdanken. Die SP dagegen hat auf nationaler Ebene das schlechteste Resultat seit der Einführung des Proporzwahlrechts im Jahr 1919 zu verzeichnen.

Für Levrat muss es jetzt weitergehen

Neu kommt die SP nur noch auf einen Wähleranteil von 16,8 Prozent – das entspricht einem Verlust von zwei Prozentpunkten. Aus der Traum von einem Wähleranteil von über 20 Prozent, von dem Levrat noch vor einem Jahr gesprochen hat.



Mehr verloren hat am Sonntag nur noch die andere Polpartei, die SVP, mit minus 3,8 Prozentpunkten. Bei der SVP waren die Verluste immerhin erwartet worden, doch die SP muss überraschend vier Nationalratssitze in den wählerstarken Kantonen Zürich und Bern abgeben. Schwergewichte wie Corrado Pardini oder Martin Naef haben die Wiederwahl verpasst.

SP-Chef Levrat, der seinen Ständeratssitz in einem zweiten Wahlgang verteidigen muss, schreibt im Newsletter, dass er sich «natürlich für die SP ein besseres Resultat gewünscht hätte». Man werde in den nächsten Wochen sorgfältig analysieren, warum das der Partei nicht gelungen sei. «Doch jetzt muss es weitergehen. Wir haben den Linksrutsch im Parlament geschafft.»

Hämische Kommentare auf Twitter

Ähnlich klang die SP bereits am Sonntag auch auf Twitter – die hämischen Kommentare kamen denn auch prompt. Das klingt dann so: «Pssst: Es ging bei diesen Wahlen nicht um einen #linksrutsch. Es ist ein #grünrutsch, #keinrotrutsch.» Oder so: «Der grüne Erfolg ging auch auf Kosten der SP. Gratulation gehört sich unter Demokraten, aber eine so freudige Erwartung?»

Weniger siegesfreudig als der Chef klingen andere Sozialdemokraten. Geradezu ratlos wirkt Nationalrätin Jacqueline Badran, vom «Tages-Anzeiger» nach den Gründen der SP-Wahlschlappe gefragt. Ihre Antwort: «Ich weiss es nicht, wirklich nicht.» Und Nationalrat Cédric Wermuth (AG) doppelt nach: «Nach diesem Resultat können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen», sagte er der «NZZ». Es könne doch nicht sein, dass es einen Linksrutsch gebe, ohne dass die SP gewinnt. Auch wenn die Grünen der SP nahestehen.

Verloren haben die Genossen besonders auch in einer ihrer Hochburgen, der Stadt Zürich. Dort ist ihr Wähleranteil am Sonntag um knapp 6 Prozent eingesackt. Zum Vergleich: Gleichzeitig haben die Grünen knapp 10 Prozent dazugewonnen, die GLP über 6 Prozent.

Diskussion über «richtigen» Parteikurs

Nach den Wahlverlusten wird nun darüber diskutiert, was denn der «richtige» Parteikurs der Genossen wäre. Offene Kritik an Parteichef Levrat äussert Nationalrat Daniel Frei (ZH), bis im Frühling Mitglied der SP, inzwischen bei den Grünliberalen. Laut Frei trage Levrat eine Mitverantwortung für die Niederlage der SP. Der liberale Flügel innerhalb der Partei sei unter Levrat marginalisiert worden: «Wer behauptet, die SP vertrete immer noch ein breites Meinungsspektrum, leidet unter fortgeschrittenem Realitätsverlust», sagte er der «NZZ».

Dem widerspricht Juso-Präsidentin Ronja Jansen in einer Mitteilung: Für sie ist «die SP ist zu stark in die Mitte gerückt».

Wie lange bleibt Levrat SP-Präsident?

Und wer muss nun grade stehen? Die Verluste am Wahlsonntag wecken Spekulationen um die Frage, wie lange Levrat noch Parteichef bleiben will. Er ist seit elf Jahren im Amt und somit dienstältester der amtierenden Parteipräsidenten der Schweiz. Levrat sagte zu diesem Thema der «NZZ am Sonntag», er müsse klären, «ob ich noch Lust und Zeit habe für das Parteipräsidium». Und ob er für die SP überhaupt noch der Richtige sei.

Die Parteispitze werde diese Frage Ende 2019 oder zu Beginn des nächsten Jahres besprechen. Laut der Zeitung halte sich der Chef dazu auch Partei-intern bedeckt, schreibt sie mit Verweis auf verschiedene Quellen. Levrat wurde im Dezember letztes Jahr im Amt bestätigt, sein Mandat läuft bis Ende 2020.

Mögliche Szenarien laut der Sonntagspresse: ein baldiger Rücktritt Levrats wohl im Frühling – oder aber erst in zwei Jahren. Die zweite Option gäbe Neulingen im Parlament die Chance, sich für eine allfälliges Präsidium zu profilieren.

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