Nationalrat-Debatte Alle streiten ums Mietrecht – und nur einer setzt sich durch

SDA, gbi

27.9.2023 - 12:37

Mietshäuser in der Stadt Luzern: Die SP kritisiert, dass die Vermieter*innen in der Schweiz überrissene Mieten kassieren.
Mietshäuser in der Stadt Luzern: Die SP kritisiert, dass die Vermieter*innen in der Schweiz überrissene Mieten kassieren.
Bild: Keystone

Die SP hat im Nationalrat das Thema Mieten auf den Tisch gebracht, doch alle Forderungen von Links-Grün und der SVP wurden versenkt. Der Bundesrat muss einzig prüfen, ob Einsprachen gegen Bauprojekte kosten sollen.

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  • Die SP-Fraktion setzte im Nationalrat am Mittwoch das Mietrecht auf die Agenda. Doch weder Vorstösse der SP für regelmässige Kontrolle der Mietzinse noch ein befristetes Moratorium für Mietzinserhöhungen kamen durch.
  • Auch von Grünen, SVP und Mitte-Partei gab es Vorstösse. Bis auf jenen von Mitte-Nationalrat Leo Müller blieben aber alle chancenlos.
  • Müller fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die Bautätigkeit durch kostspielige Einsprachen gefördert werden könne.

Auf Antrag der SP-Fraktion hat sich der Nationalrat am Mittwochvormittag mit dem Thema «Miete und Wohnen» befasst. Doch für die SP kam weder eine regelmässige Kontrolle der Mietzinse noch ein befristetes Moratorium für Mietzinserhöhungen durch.

Der Bundesrat muss einzig prüfen, ob die Bautätigkeit durch kostspielige Einsprachen gefördert werden kann. Der Nationalrat stimmte einem entsprechenden Postulat von Leo Müller (Mitte/LU) oppositionslos zu.

Ein Problem der hohen Mietzinse sei die Wohnungsknappheit im Land, argumentierte Müller. Die Zahl der Neubauten gehe auch deshalb zurück, weil durch kostengünstige Einsprachen das Bauen verhindert werden könne. Der Bundesrat solle daher prüfen, ob die gesetzliche Grundlage für ein «massvolles Kostenrisiko» bei Einsprachen geschaffen werden könne, um unnötige Einsprachen zu verhindern. Die Regierung war damit einverstanden.

Leo Müller (Mitte/LU) stört sich an «Gratis-Verzögerungen» von Bauprojekten.
Leo Müller (Mitte/LU) stört sich an «Gratis-Verzögerungen» von Bauprojekten.
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Mietzinskontrollen und Moratorium bleiben chancenlos

Die anderen Vorstösse hatten keine Chance. Die SP verlangte etwa regelmässige Mietpreiskontrollen durch die Kantone und Gemeinden. «Die Situation der Mietentwicklung ist dramatisch», sagte Jacqueline Badran (SP/ZH). Seit 2008 seien die Mieten nur gestiegen, obwohl die Hypothekarzinsen, an welche die Mieten gekoppelt sind, gesunken seien. Somit hätten auch die Mieten sinken sollen, was aber nicht der Fall sei. Es brauche daher periodische Kontrollen.

Die SP forderte ausserdem ein Moratorium für Mietzinserhöhungen. Es handle sich bei überhöhten Mietzinsen um eine massive und bewusste Verletzung des Gesetzes, betonte Christian Dandrès (SP/GE). Eine Lösung sei ein Moratorium. Dieses solle gelten, bis eine automatische Kontrolle des maximal zulässigen Ertrags umgesetzt ist.

Die beiden Vorstösse wurden mit 111 zu 75 Stimmen bei 3 Enthaltungen respektive mit 122 zu 68 Stimmen abgelehnt.

Jacqueline Badran (SP/ZH) wartet darauf, das Wort ergreifen zu können.
Jacqueline Badran (SP/ZH) wartet darauf, das Wort ergreifen zu können.
Bild: Keystone

Glättli pocht auf bestehende Massnahmen

Grünen-Parteichef Balthasar Glättli wollte preisgünstige und gemeinnützige Wohnungen fördern. Es sei unverständlich, dass nicht einmal die bestehenden Instrumente angewandt würden, sagte der Zürcher Nationalrat. Denn das Raumplanungsgesetz sehe bereits heute Massnahmen vor, mit denen preisgünstige und gemeinnützige Wohnungen gefördert werden könnten. Man müsse die Massnahmen nur umsetzen.

Doch auch Glättli fand kein Gehör: Der Nationalrat sprach sich mit 103 zu 85 Stimmen bei einer Enthaltung gegen die Motion aus.

Balthasar Glättli (Grüne/ZH) forderte die Förderung von günstigen Wohnungen.
Balthasar Glättli (Grüne/ZH) forderte die Förderung von günstigen Wohnungen.
Bild: Keystone

SVP-Forderung: Keine Kündigung für Asylheime

In eine ganz andere Kerbe schlug Martina Bircher (SVP/AG): «Sprechen wir doch auch mal über die Ursache der zu hohen Mietpreise – über die Rekordzuwanderung in die Schweiz», sagte die SVP-Nationalrätin. Die Bevölkerungszahl sei im vergangenen Jahr um 180’000 Personen gewachsen. All diese Personen bräuchten Platz.

Bircher forderte, dass Wohnungskündigungen nicht rechtens sein sollen, wenn durch diese Kündigung Asylsuchende respektive vorläufig aufgenommene Personen untergebracht werden.

Der Nationalrat lehnte dies mit 136 zu 53 Stimmen ab.

Martina Bircher (SVP/AG) wollte Kündigungen zugunsten von Asylsuchenden verbieten.
Martina Bircher (SVP/AG) wollte Kündigungen zugunsten von Asylsuchenden verbieten.
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Erschwertes Bauen führt zu Wohnungsknappheit

In den Fraktionen gingen die Voten für oder gegen die Motionen entlang der Parteilinien auseinander. Beat Walti (FDP/ZH) – seines Zeichens Präsident des Immobilienverbandes Schweiz – verwies auf die Probleme beim Bauen. Die Dauer der Baubewilligungsverfahren etwa hätte sich verdoppelt. Es gebe zudem immer mehr Regulierungen, die neue Projekte verhinderten, etwa zum Lärmschutz oder Umweltschutz.

Auf der anderen Seite sagte Michael Töngi (Grüne/LU) – er wiederum ist Präsident des Mieterverbands –, dass die Erhöhung der Mietzinse wieder einmal jene treffe, die ohnehin finanziell nicht gut gepolstert seien: Seit 2008 hätten sich die Wohnkosten bei Wohneigentümern um rund 200 Franken verringert und bei den Mietenden um rund 600 Franken erhöht. Das solle mal jemand erklären können.

Runder Tisch für mehr Bautätigkeit

GLP-Vertreter Beat Flach (AG) sagte, ein Marschhalt sei nicht möglich, aber man könne in kleinen Schritten etwas unternehmen. Die Siedlungsentwicklung nach innen müsse gefördert und die Regelungsflut beim Bauen reduziert werden.

Für die Mitte-Fraktion lag am Mittwoch «wenig Zielführendes» auf dem Tisch, wie Nicolò Paganini (SG) sagte. Die SP-Vorstösse seien nicht Medizin, sondern zusätzliches Gift. Denn diese würden Investoren vertreiben – aber die brauche es. Nur ein steigendes Angebot könne bei steigender Nachfrage die Mietzinse im Zaum halten.

Bundesrat Guy Parmelin verwies auf die Herausforderungen beim Bauen. Er habe daher einen runden Tisch einberufen, um diese Probleme zu diskutieren. Eine Arbeitsgruppe sei beauftragt worden, einen Massnahmenplan auszuarbeiten. Dieser befinde sich derzeit in der Vernehmlassung und soll im kommenden Jahr verabschiedet werden. Er werde in den kommenden Wochen ausserdem weitere Vorschläge in den Bundesrat bringen.

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