Die Universität Bern darf keine wissenschaftliche Studie zum legalen Verkauf von Cannabis durchführen. Der Bund hat das Projekt, an dem auch andere Städte interessiert sind, nicht bewilligt. Die Stadt Bern reagiert enttäuscht.
Enttäuscht und erstaunt sei sie, sagte die grüne Stadtberner Gemeinderätin Franziska Teuscher an Dienstagnachmittag der Nachrichtenagentur sda auf Anfrage. Schliesslich sei das Gesuch wissenschaftlich abgesichert, juristisch untermauert, von der kantonalen Ethikkommission bewilligt und politisch breit abgestützt.
Die Studie würde einen dringend notwendigen Beitrag dazu leisten, die schweizerische Drogenpolitik "innovativ weiter zu entwickeln", heisst es in einer Mitteilung der Stadt Bern vom Dienstag.
Die Stadt hatte die Universität Bern beauftragt, zu erforschen, wie sich das Konsum- und Kaufverhalten von Cannabis-Konsumenten verändert, wenn diese geregelten Zugang zur Droge haben. Auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Studienteilnehmer sollten untersucht werden.
Geplant war, Cannabis in Apotheken zu verkaufen. Im Frühling stellten das Institut für Sozial- und Präventivmedizin und das klinische Studienzentrum der Universität Bern beim Bund ein Gesuch für die wissenschaftliche Studie.
Der Co-Direktor des klinischen Studienzentrums, Sven Trelle, sprach am Dienstag auf Anfrage von einem "klaren Dämpfer" für das Projekt. Ob die Universität gegen den ablehnenden Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde führt, will sie erst nach gründlicher Analyse entscheiden.
Umweg über Gesetzesänderung
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat das Gesuch der Universität Bern abgelehnt, weil die aktuelle Gesetzgebung eine solche Studie nicht zulasse. Zwar kann der Bund für wissenschaftliche Projekte durchaus eine Ausnahme machen, nicht aber, wenn es um Cannabiskonsum zu Genusszwecken geht, wie das BAG am Dienstag schrieb.
Allerdings schlägt das BAG die Türe nicht ganz zu. Um solche Studien durchführen zu können, müsste das Betäubungsmittelgesetz um einen "Experimentierartikel" ergänzt werden.
Mehr noch: Das BAG anerkennt in seiner Mitteilung das gesundheitspolitische Anliegen, mit solchen Studien neue Formen des gesellschaftlichen Umgangs mit Cannabis zu erforschen. Es wäre denn auch "grundsätzlich zu begrüssen", neue Regulierungsmodelle wissenschaftlich auszuwerten.
Städte interessiert
Zwei- bis dreihunderttausend Menschen greifen in der Schweiz regelmässig zum Joint. Mehrere Städte, darunter Zürich, Genf und Basel befassen sich deshalb mit der Frage, wie sie künftig mit gewohnheitsmässigen Kiffern umgehen wollen.
Sie signalisierten Interesse an einem Pilotprojekt für den regulierten Zugang zu Cannabis. Am weitesten gediehen war das Berner Projekt, dem sich Biel, Ostermundigen und Luzern anschliessen wollten.
Die kantonalbernische Ethikkommission stimmte dem Berner Cannabis-Versuch zu. Der Schweizerische Nationalfonds stellte Mittel im Umfang von 720'000 Franken in Aussicht. Selbst Bundesrat Alain Berset zeigte sich im April 2016 offen für die Cannabis-Versuche in mehreren Schweizer Städten.
Bern als Pionierin
Die Stadt Bern hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Pionierarbeit in der Dorgenpolitik geleistet. 1986 etwa wurde in Bern das weltweit erste, staatlich tolerierte "Fixerstübli" eingerichtet - ein geschützter Raum, in dem Drogenabhängige saubere Spritzen beziehen und sich stressfrei den Stoff verabreichen konnten.
Die Philosophie des Fixerraums als Form der pragmatischen Überlebenshilfe begann sich durchzusetzen. Sie mündete Anfang der 1990er-Jahre in die Vier-Säulen-Politik des Bundes: Neu antwortete der Staat nicht nur mit Repression, sondern auch mit Prävention, Therapie und eben Schadensminderung auf das Drogenelend.
Diese pragmatische Herangehensweise sei mit dem BAG-Entscheid in Frage gestellt worden, schreibt der Fachverband Sucht in einer Mitteilung. Der Mut zur nötigen Reform dürfe sich aber nicht ersticken lassen. Der Verband vereint Personen und Organisationen in den Bereichen Suchthilfe, Suchtprävention und Gesundheitsförderung in der Deutschschweiz.
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