«Nein heisst Nein»-LösungStänderat heisst Verschärfung des Sexualstrafrechts gut
bo, sda
13.6.2022 - 19:26
Der Ständerat hat als Erstrat das verschärfte Sexualstrafrecht gutgeheissen. Es basiert auf der «Nein heisst Nein»-Lösung bei Vergewaltigungen. Und: Rachepornografie soll neu strafrelevant werden.
Keystone-SDA, bo, sda
13.06.2022, 19:26
13.06.2022, 19:57
SDA, gbi
Der Ständerat hat am Montag das revidierte Sexualstrafrecht mit 42 zu 0 Stimmen angenommen. Mit der Revision wird das Sexualstrafrecht an die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre angepasst. Die Vorlage geht nun in den Nationalrat, der sich in der Herbstsession damit befassen wird.
Die Ratslinke war am vergangenen Dienstag bei der Beratungen zu den Kernpunkten der Vorlage mit ihrem Versuch gescheitert, im Sexualstrafrecht die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung als Basis zu etablieren. Am Schluss stimmte der Rat mit 25 zu 18 Stimmen für die Widerspruchslösung.
Zudem war der Rat knapp einem Minderheitsantrag von Stefan Engler (Mitte/GR) gefolgt. Die Mindestfreiheitsstrafe für eine qualifizierte Vergewaltigung soll demnach nicht nur ein Jahr betragen, sondern zwei Jahre. Damit sei sichergestellt, dass Täter*innen künftig nicht mehr mit einer bedingten Gefängnisstrafe davonkommen. «Wer jemandem den Beischlaf abnötigt, gehört ins Gefängnis», sagte Engler letzte Woche.
Für weniger schwerwiegende sexuelle Übergriffe sollen allerdings auch weiterhin Geld- und Bewährungsstrafen möglich bleiben, um den Gerichten mehr Spielraum zu lassen.
Mindestenstrafe für sexuelle Handlungen mit Kindern definiert
Die Vorlage für eine Revision des Sexualstrafrechts sieht weitere Änderungen gegenüber heute vor, die am Montag im Rahmen der Detailberatung zu Ende diskutiert und beschlossen wurden. Beispielsweise soll Tätern und Täterinnen bei sexuellen Handlungen mit Kindern unter zwölf Jahren neu eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr drohen.
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe soll bestraft werden, wer bei der Ausübung einer Tätigkeit im Gesundheitsbereich sexuelle Handlungen vornimmt oder vornehmen lässt. Weitere Änderungen betreffen den Tatbestand der Pornografie.
Bis drei Jahre Gefängnis für Rachepornografie
Neu soll auch die sogenannte Rachepornografie Aufnahme ins Sexualstrafrecht finden. Der Ständerat beschloss mit 37 zu 6 Stimmen, dass Täter bis zu drei Jahre ins Gefängnis müssen, wenn sie den Inhalt von ursprünglich nicht öffentlichen Schriften, Ton- und Bildaufnahmen von Personen öffentlich machen. Die blosse Weitergabe an eine Drittperson ohne das Einverständnis der abgebildeten Person soll eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe nach sich ziehen können.
Der Bundesrat und eine Minderheit wollten vorerst auf diesen Straftatbestand verzichten und im Rahmen der laufenden Arbeiten zum Cybermobbing vertiefen. Das Sexualstrafrecht sei der falsche Ort dafür, sagte Philippe Bauer (FDP/NE). Bei Racheakten gehe es nicht zwingend immer um sexuelle Inhalte. Es gebe eine breitere Palette von Verhaltensweisen, gab auch Justizministerin Karin Keller-Sutter zu bedenken.
Die Befürworter eines solchen Artikels argumentierten mit dem Schutz der sexuellen Intimsphäre. Das Phänomen der Rachepornografie sei in den letzten Jahren zunehmend zu einem Problem geworden, sagte Kommissionssprecher Carlo Sommaruga (SP/GE).
Grooming soll kein eigener Tatbestand werden
Verzichtet werden soll dagegen auf einen neuen Tatbestand des Grooming. Isabelle Chassot (Mitte/FR) hatte vergeblich eine Geldstrafe vorgeschlagen für Täter, die einem Kind unter 16 Jahren ein sexuelles Treffen vorschlagen oder Vorbereitungen für ein solches Treffen treffen.
Der Rat lehnte die Aufnahme dieses Artikels aber mit 21 zu 18 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab. Grooming bezeichnet das gezielte Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen, also die Planung eines sexuellen Missbrauchs.
Alle diese Akte seien bereits durch bestehende Gesetzesartikel abgedeckt, gab Kommissionssprecher Sommaruga zu bedenken. Justizministerin Keller-Sutter warnte davor, einen neuen Tatbestand zu schaffen. Derartiges Verhalten sei bereits heute strafbar. Es würde übers Ziel hinausschiessen, Täter schon zu bestrafen, bevor sie die Schwelle zum Versuch überschritten hätten. Zudem sei das in der Praxis schwer nachzuweisen.