Bundesgericht «Carlos» bleibt 23 Stunden am Tag eingeschlossen

zs, sda

20.4.2021 - 12:00

Eine Gerichtszeichnung von Carlos aus dem Jahr 2017. 
Eine Gerichtszeichnung von Carlos aus dem Jahr 2017. 
Bild: Keystone

Das Bundesgericht hält an den strikten Haftbedingungen für den Straftäter «Carlos» fest: Auch wenn sie vergleichbar seien mit einem dauernden Arrest, seien die Massnahmen vorerst weiterhin gerechtfertigt. 

20.4.2021 - 12:00

Seit bald zweieinhalb Jahren befindet sich «Carlos» in dauernder, gesicherter Haft. Diese darf vorläufig weitergeführt werden, wie das Bundesgericht jetzt entschieden hat. 

«Carlos», der eigentlich Brian heisst, befindet sich derzeit in der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf, obwohl im Schweizer Vollzug grundsätzlich die Trennung von Beschuldigten und Verurteilten vorgeschrieben ist. Aufgrund der wiederholten Aggressionen des jungen Mannes musste für ihn ein besonderes Setting geschaffen werden. Damit sollen andere Insassen und die Gefängnisangestellten geschützt werden.

Das alles geht aus einem am Dienstag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervor. In der Strafanstalt Pöschwies wurden nicht nur personelle und konzeptionelle Anpassungen vorgenommen, um die Sicherheitshaft von Brian vollziehen zu können. Auch bauliche Änderungen waren notwendig, so zum Beispiel die Verstärkung von Zellen und ein separater Hofzugang.

Vergleichbar mit Arrest

Für den Beschuldigten bedeutet das Setting, 23 Stunden am Tag eingeschlossen zu sein. Für den täglichen Spaziergang im Gefängnishof sind spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden. Mithäftlinge trifft Brian nicht an.

Obwohl diese Haftbedingungen vergleichbar seien mit einem dauernden Arrest, sind sie gemäss Bundesgericht aufgrund der von dem jungen Mann ausgehenden Gefahr für andere Menschen noch ausreichend gerechtfertigt. Das von Brian gestellte Gesuch um eine Verlegung in ein anderes Untersuchungs- und Sicherheitsgefängnis sei unter diesen Umständen zu Recht abgewiesen worden.

Unschuldsvermutung soll nicht vergessen werden

«Carlos» war im November 2019 vom Bezirksgericht Dielsdorf wegen versuchter schwerer Körperverletzung, mehrfacher einfacher Körperverletzung und weiterer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Zudem wurde eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet und der Vollzug der Strafe aufgeschoben. Die Berufungsverhandlung findet im Mai statt.

Das Bundesgericht hält in seinen Erwägungen fest, es könne aufgrund der verschiedenen Verfahren unterdessen «als gerichtsnotorisch gelten», dass der junge Mann «zumindest in bestimmten Stresssituationen zu aggressivem Verhalten» neige.

Dennoch appellieren die Lausanner Richter in ihrem aktuellen Urteil an die Medien, auch bei Brian die Unschuldsvermutung nicht zu vergessen. Und auch an die Vollzugs-Angestellten geht ein Appell. Das Gericht schreibt, trotz der besonderen Anforderungen dürfe sich der Rechtsstaat der Herausforderung und Verantwortung weiterhin nicht entziehen.

zs, sda