Haftungsklage von «Carlos» Weder Kleidung noch Dusche – «Man wollte mich mit Härte brechen»

fn, sda

11.3.2021 - 15:47

Eine Porträtzeichnung von Straftäter Brian aus dem Jahre 2019. 
Eine Porträtzeichnung von Straftäter Brian aus dem Jahre 2019. 
Bild: Keystone

Der als «Carlos» bekannt gewordene junge Straftäter Brian hat bei der Verhandlung um seine Haftungsklage spontan selber das Wort ergriffen. Er habe nichts falsch gemacht – aber in Einzelhaft werde man einfach wahnsinnig.

11.3.2021 - 15:47

Am Donnerstag befasste sich das Bezirksgericht Zürich mit einer Staatshaftungsklage des jungen Straftäters Brian, der unter dem Pseudonym «Carlos» bekannt geworden ist. Im Zentrum stehen die Haftbedingungen im Gefängnis Pfäffikon von Ende 2016 bis Anfang 2017. Brian verlangt wegen seiner Zeit in der Haftanstalt eine Genugtuung von 40'000 Franken.

«Man wollte mich mit Härte brechen. Aber das machte alles nur schlimmer», sagte Brian in seiner kurzen Ansprache vor Gericht. Dass er selber ans Rednerpult stand, war eigentlich nicht so geplant. Der Richter liess es aber zu, weil sich der junge Mann sehr aufregte.

Einzelhaft habe schlimme Auswirkungen auf Menschen, sagte Brian in seiner Verteidigungsrede. Nur schon diese pinke Zelle: «Da wird man wahnsinnig.» Die Vorwürfe des Kantons seien komplett falsch.

«Grenzenlose Zerstörungswut»

Der Anwalt des Kantons Zürich sagte in seinem Plädoyer, dass es Brian selber in der Hand gehabt hätte, sich «endlich einmal korrekt zu verhalten». Dann wären Duschen und Hofgänge erlaubt gewesen. Das sei aber nicht gegangen, weil der 25-jährige alle angegriffen habe.

In dieser Zeit im Gefängnis Pfäffikon sei «Carlos» nicht ansprechbar gewesen, so der Anwalt des Kantons. Er habe gedroht, jeden umzubringen, der seine Zelle betrete. «Seine Zerstörungswut war grenzenlos.» Diese Haftungsklage sei deshalb fehl am Platz.

Der Entscheid, ob Brian 40'000 Franken Genugtuung wegen unmenschlicher Haftbedingungen erhält, wird nicht mehr am Donnerstag eröffnet. Wann das Urteil vorliegt, ist offen.

Kleidung war für Brian verboten

Zwanzig Tage lang wurde Brian in einer Zelle ohne Matratze untergebracht. Kleider durfte er nicht tragen, weil er damit die Toilette verstopft und die Zelle geflutet hätte. Er musste die Zeit nur mit einem Poncho bekleidet, ohne Unterwäsche, verbringen.

Das Duschen wurde ihm verweigert. Eine Zahnbürste durfte er erst nach zehn Tagen nutzen, weil er diese als Waffe hätte einsetzen können. Zu essen erhielt der junge Straftäter ausschliesslich belegte Brote, weil er kein Geschirr haben durfte.

«Hier geht es um Grundrechte»

Für den Anwalt von Brian ist klar, dass der Kanton die Bundesverfassung und die Menschenrechtskonvention verletzt hat. «Wer das Gewaltmonopol hat, muss Minimalstandards einhalten. Hier geht es um Grundrechte.» «Carlos» sei ja wohl nicht der erste Straftäter, der sich renitent verhalte. Damit müsse der Kanton umgehen können.

Wegen der Haftbedingungen gab es inzwischen auch eine Administrativuntersuchung. Diese stellte fest, dass Brian in der Untersuchungshaft «objektiv diskriminierend und erniedrigend» behandelt worden sei. Der Gefängnisleiter musste als Folge davon seinen Posten räumen.

Im Mai steht Brian erneut vor Gericht: Dann muss er sich vor Obergericht wegen Angriffe auf Gefängnis-Mitarbeitende verantworten. Der 25-Jährige, der seit seiner Kindheit negativ auffiel, sitzt aktuell in der Strafanstalt Pöschwies in Sicherheitshaft.

fn, sda