Goldene Visa «Man kann sich das Recht in der Schweiz erkaufen»

tsha

30.10.2020

Wer das nötige Kleingeld besitzt, kann auf ein «Goldenes Visa» hoffen.
Wer das nötige Kleingeld besitzt, kann auf ein «Goldenes Visa» hoffen.
Bild: Keystone

Die Schweiz bleibt ein beliebtes Ziel von Superreichen. Vor allem Russen bewerben sich auf eine Aufenthaltsbewilligung.

Trotz hoher Infektionszahlen: Die Schweiz ist auch inmitten der Corona-Pandemie ein beliebtes Ziel für Superreiche. Wie «Swissinfo» schreibt, sind es vor allem Russen, die derzeit versuchen, hierzulande eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, um somit dem maroden Gesundheitssystem ihrer Heimat zu entkommen. Rund jeder dritte Superreiche, der sich um eines der sogenannten «Goldenen Visa» bewerbe, komme aus dem Riesenreich. Weitere häufige Herkunftsländer seien aktuell die Türkei, China, die Golfstaaten und die Ukraine.

«Die Schweiz ist der Rolls-Royce unter den Destinationen», erklärt Enzo Caputo gegenüber «Swissinfo». Der Anwalt hat sich auf Aufenthaltsbewilligungen für Ultrareiche spezialisiert. «Die Welt wird immer unsicherer. Diese reichen Ausländer suchen nach einem Plan B. Sie wollen auch ein Land mit einer guten Gesundheitsinfrastruktur.»

Superreiche, die sich in der Schweiz niederlassen, profitieren von einer mit den Kantonen ausgehandelten jährlichen Pauschalbesteuerung. Diese orientiert sich nicht am Vermögen oder dem Einkommen, das eine Person im Ausland erwirtschaftet. Gewertet werden lediglich die Ausgaben, die im Inland getätigt werden, also vor allem der Kauf von Immobilien. Einer Arbeit nachgehen dürfen Personen mit «Goldenem Visa» in der Schweiz nicht. Ausserdem müssen sie mindestens sechs Monate pro Jahr in der Schweiz leben. Im Schengen-Raum können sie frei reisen.

«Indirekt kaufen diese Menschen ihre Aufenthaltserlaubnis»

Die Pauschalsteuern, die zu zahlen sind, sind von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Spitzenreiter unter den französischen Kantonen ist laut «Swissinfo» der Kanton Waadt. Hier muss ein unverheirateter Ausländer aus einem Drittstaat mindestens 415'000 Franken Steuern zahlen. Zählt man pauschal besteuerte EU-Ausländer mit, kommen Schweizweit jedes Jahr 821 Millionen Franken zusammen, so die Auswertung.

An der Praxis der Pauschalbesteuerung wird seit Jahren immer wieder Kritik laut. «Indirekt kaufen diese Menschen ihre Aufenthaltserlaubnis», so Martin Hilti, Direktor der NGO Transparency International in Bern, gegenüber «Swissinfo». «Aber ist Geld das richtige Kriterium für die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen? Eigentlich sollte es die Beziehung zum Land sein.»

Ähnlich sieht das die SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer. Als vor zwei Jahren bekannt geworden war, dass dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch eine Aufenthaltsbewilligung verwehrt wurde und das Thema der «Goldenen Visa» die Öffentlichkeit erneut beschäftigte, fand die langjährige Gegnerin der Praxis klare Worte: «Man kann sich das Recht in der Schweiz erkaufen», so die Politikerin 2018 gegenüber SRF. «Man muss nur genügend Geld haben, dann bekommt man das Recht zum Aufenthalt, sich Immobilien zu erwerben und zu alledem noch die Pauschalbesteuerung.»

Das Wahlvolk sah das allerdings anders – zumindest im Jahr 2014. Damals lehnte eine Mehrheit von fast 60 Prozent eine von der Alternativen Linken lancierte eidgenössische Volksinitiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung ab. Seitdem sind die Einkünfte durch die Pauschalbesteuerung sogar noch weiter angestiegen – um rund 100 Millionen Franken zwischen 2014 und 2018. 

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