Wahlen 2023Die Transparenz schmälert wohl eher die Kassen der Bürgerlichen
Von Alex Rudolf
20.11.2022
Wer finanziert welche Partei und welche Kampagne? Seit Ende Oktober gilt ein neues Gesetz, wonach dies offengelegt werden soll. Besonders Parteien rechts der Mitte müssen Einbussen befürchten.
Von Alex Rudolf
20.11.2022, 07:45
20.11.2022, 07:54
Alex Rudolf
In knapp einem Jahr wählt die Schweiz ihr neues Parlament. Der Strassenrand wird wieder von lächelnden Gesichtern gesäumt, Kandidierende verteilen an grösseren Bahnhöfen Gipfeli oder Äpfel und auch in den Sozialen Medien buhlen die Parteien um Aufmerksamkeit.
In einem werden sich die Wahlen aber von allen bisherigen unterscheiden: Erstmals wird finanzielle Transparenz herrschen. Seit rund einem Monat gelten neue Bestimmungen, bei den Parteien läuft hinter den Kulissen ein grosser Umbruch.
Dabei geht es um viel Geld. Anlässlich der Gesamterneuerungswahlen von 2019 erhielten Schweizer Politiker*innen, Parteien und Kampagnen insgesamt 100 Millionen Franken. Das geht aus dem Buch «Wer finanziert die Schweizer Politik?» hervor. Dabei ist die Vermutung, dass profitable Unternehmen und Interessenvertretungen den Grossteil dessen ausmachen, falsch: Rund 70 Millionen davon stammen von Privatpersonen.
Parteien müssen sämtliche Einnahmen, alle finanziellen und nicht finanziellen Zuwendungen, die 15'000 Franken übersteigen und die Beiträge von Mandatsträger*innen wie etwa Bundesrät*innen veröffentlichen. Politische Abstimmungskampagnen müssen ebenfalls alle Einnahmen über 15'000 Franken angeben, sofern das Gesamtbudget 50'000 Franken übersteigt.
Anonyme Spenden sowie Spenden aus dem Ausland sind neuerdings verboten. Budgetierte Einnahmen müssen einen Monat vor den Wahlen und die Schlussabrechnung 75 Tage nach den Wahlen publik gemacht werden.
SVP geht von grossem Aufwand aus
Auf diese Neuerung sind die Parteien unterschiedlich gut zu sprechen. «Die neuen Transparenzregeln sind mit einem enormen administrativen Aufwand verbunden», sagt Andrea Sommer, Mediensprecherin der SVP, zu blue News. Man habe sich eingehend mit den neuen Regeln auseinandergesetzt und Kantonalparteien geschult. Dennoch seien einige Fragen offen. Beispielsweise, ob und wie gut das Online-Tool des Bundes funktioniert.
Obwohl sich die FDP für die neue Regelung eingesetzt habe, hoffe man, dass die Umsetzung nicht allzu viel Bürokratie mit sich bringe, sagt Mediensprecher Marco Wölfli. Auch die Mitte hat ihre Kantonalparteien bereits geschult. Zudem sei man im Austausch mit der Bundesverwaltung, sagt Sprecher Thomas Hofstetter.
Für die SP ändere sich ohnehin nichts, da sie Budgets und Herkunft der Finanzmittel seit jeher offenlege, sagt Parteisprecher Nicolas Haesler. «Die Umsetzung der Transparenzvorschriften ist mit den ordentlichen Ressourcen gut zu bewältigen, schliesslich ist für die SP eine solide Spendenbuchhaltung seit jeher eine Selbstverständlichkeit.»
Wird nun weniger gespendet?
Welchen Einfluss das neue Gesetz auf die Spendierfreudigkeit der Schweizer*innen hat, lässt sich noch nicht abschätzen. «Es wird sicher solche geben, die nicht öffentlich zu ihrer Unterstützung stehen wollen», sagt Andrea Sommer von der SVP. Möglicherweise würden diese Spender auf Unterstützung verzichten.
Dass es vornehmlich bei bürgerlichen Parteien zu Einbussen kommt, glaubt auch Daniel Piazza, Co-Autor von «Wer finanziert die Schweizer Politik?» Zu SRF sagt er, dass rechte Parteien in der Zahl mehr Spender*innen haben, die nicht veröffentlicht worden seien. «Es gibt sensible Kreise wie etwa Unternehmen oder Unternehmer, die Spenden nicht an die grosse Glocke hängen wollen.»
Bislang habe man noch keinen Rückgang verzeichnet, sagt Wölfli von der FDP. Von grösseren Spender*innen sei man wegen der neuen Regelung auch noch nicht kontaktiert worden.
«Wir freuen uns darauf, zu erfahren, woher die Millionen der Bürgerlichen kommen, die oft intransparent Gelder von Lobbys und Grosskonzernen erhalten», sagt SP-Sprecher Nicolas Haesler.
Was droht Politiker*innen oder Parteien, die sich nicht daran halten? Laut Gesetz können diese mit einer Geldstrafe von bis zu 40'000 Franken belegt werden.