Im Kanton Uri erinnert eine Gedenkstätte an die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen wie Verdingung, Zwangssterilisation oder Entmündigung. Die Urner Regierung weihte das Mahnmal an der Reuss in Erstfeld am Mittwoch ein und will mehr über Betroffene herausfinden.
In Uri herrsche weitgehend Unklarheit über das Ausmass der «Schattenseiten der Geschichte des schweizerischen Sozialstaats», teilte die Kantonsregierung zur Einweihung des Denkmals mit. Lediglich 25 Personen aus Uri stellten ein Gesuch auf Solidaritätszahlungen des Bundes für Opfer der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen.
Man gehe von einer viel höheren Zahl von Betroffenen aus. Diese aufzuspüren sei sehr aufwendig, da einerseits viele Urner Kinder in andere Kantone verschoben worden seien, etwa wegen der fehlenden Institutionen, sagte Samuel Bissig, Vorsteher des Amts für Soziales. So habe es in Uri nur ein Kinderheim gegeben. Gleichzeitig seien aber viele ausserkantonale Kinder auf Urner Höfen verdingt worden.
Die mangelnden Daten zu Opfern der Praxis, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre gelebt wurde, will man in Uri im Rahmen einer Studie erarbeiten. Die Regierung gab dem historischen Verein Uri den Auftrag, im Staatsarchiv und in den Gemeindearchiven Material zu suchen, das die Dimension und Formen von Zwangsmassnahmen im Kanton umfassend darstellt.
Auf Wunsch der Betroffenen
Das Vorhaben steht laut Bissig noch am Anfang, erst nach der laufenden Projektüberprüfung werden die Verantwortlichen die Datenlage analysieren. Eine allfällige vertiefte Erforschung dürfte zwei bis drei Jahre dauern, es sei extrem viel Recherche nötig.
Der Wunsch nach einer Gedenkstätte sei von jenen Betroffenen gekommen, die sich bis jetzt gemeldet hätten. Sie hätten einen Sitzplatz mit Sicht auf Wasser und Berge gewünscht, dem sei man nun mit der Anlage in Erstfeld nachgekommen.
Zwischen zwei Holzbänken steht dort ein zwei Meter hoher Naturgranit. Eine Inschrift fordert, die Erinnerung an die zehntausenden Opfer lebendig zu erhalten: «Denn das Unrecht endet nur dann, wenn wir darüber sprechen.»
Sozialdirektorin Barbara Bär sprach im Namen des Urner Regierungsrats eine offizielle Entschuldigung aus. Zur Einweihung habe man auch die Betroffenen angeschrieben, von denen der Kanton Kenntnis gehabt habe, sagte Bissig. Rund zehn Personen hätten ihr Kommen angekündigt.
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