Weniger DemonstrierendeVerhindert der Klimaschutz-Konsens eine stärkere Mobilisierung?
tjnj
15.9.2023
Umweltschutz-Gruppen können weniger Menschen zu einer Teilnahme an ihren Demonstrationen bewegen. Laut einem Soziologen hängt das aber auch mit Erfolgen zusammen: Klimaschutz sei Konsens geworden.
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15.09.2023, 21:42
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Am heutigen Klimastreik-Tag soll die Anzahl der Demonstrant*innen zurückgegangen sein.
Ein Soziologe sieht diese Entwicklung weniger in einer Abnahme des Interesses am Klimaschutz begründet als in einer Aufsplitterung von Klimagruppierungen.
Dadurch dass der Fokus auf die Frage gewandert sei, wie das Klima geschützt werden könne, statt nur auf die blosse Notwendigkeit des Klimaschutzes hinzuweisen, habe die Bewegung an Konsensfähigkeit verloren.
In acht Schweizer Städten haben am heutigen Freitag insgesamt etwa 6500 Menschen für den Klimaschutz demonstriert. Der heutige Klimastreik verzeichnete damit wohl einen Rückgang bei der Anzahl der Demonstrant*innen: Laut «Tagesanzeiger» hatten sich noch beim letzten Klimatag im März alleine in Zürich mehrere Tausend Menschen versammelt.
Herrscht also Klimamüdigkeit? Wie hat sich die Klimabewegung in den letzten Jahren entwickelt? «Die Bewegung ist nach wie vor recht stark», schätzt der Soziologe Simon Schaupp von der Universität Basel die Lage im Gespräch mit dem SRF ein.
Klimaschutz ist «quasi bis auf die äusserte Rechte Konsens»
Was sich verändert hat, ist wohl eher die Dynamik. «Es kann sein, dass es inzwischen mehrere Klimabewegungen gibt», so Schaupp. Der Klimastreik sei «mittlerweile nur noch eine von vielen Aktionsformen».
Dass manche Klimabewegungen nun Bündnisse mit Gewerkschaften eingehen, wertet er als Stärke, denn das verleihe «mehr Nachdruck, als nur streikende Schülerinnen und Schüler».
Dass weniger Leute zu den Protesten kommen, könnte auch damit zusammenhängen, dass Klimaschutz «quasi bis auf die äussere Rechte Konsens» sei. Ein Bekenntnis zum Klimaschutz komme damit keiner politischen Positionierung mehr gleich. Das mache die Sache gerade für junge Menschen weniger attraktiv.
Dringlichkeit fördert Überdruss
Ausserdem verlagere sich die Diskussion auf die Frage, «wie man Klimaschutz machen möchte oder was wirklicher Klimaschutz ist», so Schaupp. Diese Fragen seien «nicht mehr ganz so konsensfähig» wie die allgemeine Überzeugung, dass Klimaschutz notwendig sei.
Naturkatastrophen wie in Libyen oder Griechenland würden auch dafür sorgen, dass sich die Lage immer mehr zuspitze – Klimaschutz bleibt also ein gesellschaftlich relevantes Thema, das man nicht «einfach ausblenden» könne, wie Schaupp sagt. Der «Überdruss an bestimmten Aktionsformen» komme auch daher, dass «man das Thema eigentlich gerne verdrängen möchte».
Das sei aber aufgrund der «sich immer weiter zuspitzenden Dringlichkeit» nicht möglich. Wie sich das Phänomen des Klimatags weiterentwickeln wird, ist noch offen. Zumindest in Zürich soll der heutige Aktionstag der vorerst letzte gewesen sein.