Äschen fast ausgestorbenWarme Seen und Flüsse sind für viele Fische tödlich
Stefan Michel
30.8.2024
Mit dem Klimawandel steigen auch die Wassertemperaturen in der Schweiz. Für viele Fische ist das eine tödliche Gefahr, aber nicht der einzige Grund, weshalb drei Viertel der einheimischen Arten gefährdet sind.
Stefan Michel
30.08.2024, 23:52
31.08.2024, 06:47
Stefan Michel
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Steigende Wassertemperaturen gefährden Fische wie Äschen und Forellen.
Wärmere Seen stören auch die Nahrungskette, weil in ihnen weniger pflanzliches Plankton und schliesslich weniger tierisches Plankton entsteht.
Drei Viertel der in der Schweiz heimischen Fischarten sind gefährdet und einige akut vom Aussterben bedroht.
Wie schlecht es den Äschen in der Schweiz geht, zeigt sich, wenn sie den Hitzetod sterben. «Im Sommer 2003 verendeten Zehntausende, 2008 Tausende, 2022 waren es noch ein paar hundert», fasst David Bittner vom Schweizerischen Fischerei-Verband zusammen. Heute gilt die Äsche als stark gefährdet.
Wie die Äsche und die Mehrheit der in der Schweiz heimischen Arten gehören auch Bachforellen zu den kältebedürftigen Fischen. Ihre bevorzugte Wassertemperatur: frische 15 Grad. Bittner beschreibt: «Bei 18 Grad sind sie gestresst, fressen weniger, obwohl sie mehr Energie brauchen. Bei 22 Grad stellen sie die Nahrungsaufnahme ein, was sie nicht lange überleben und bei 25 Grad sterben sie direkt am für sie zu warmen Wasser», beschreibt Bittner.
Kaltes Wasser enthält mehr Sauerstoff als warmes. Die verschiedenen Fischarten haben sich an unterschiedliche Sauerstoffgehalte angepasst und fühlen sich deshalb auch nur in der entsprechenden Wassertemperatur wohl. «Hinzu kommt, dass Fische als Wechselblüter die Temperatur des Wassers annehmen. Im Unterschied zu Säugetieren und Menschen können sie ihre Körpertemperatur nicht stabil halten», fügt Bittner hinzu.
In aufgeheizten Flüssen gibt es kein Entkommen
Kürzlich haben Thermometer im Zürichsee 28 Grad Wasser-Temperatur an der Oberfläche gemessen. «Für Seefische wie Egli und Felchen ist das kein Problem. Sie tauchen einfach in tiefere Schichten ab, wo das Wasser kälter ist», erklärt der Zürcher Berufsfischer Adrian Gerny. Schwierig werde es in untiefen Flüssen und Bächen, wenn diese keine kühleren Stellen aufweisen – schattige Abschnitte oder kältere Zuflüsse. Ist das Wasser überall zu warm, kommt es beispielsweise zum massenhaften Äschensterben.
Um Fische zu retten, greifen Behörden und Fischereivereine immer wieder zu Notabfischungen. Die bedrohten Fische werden betäubt, eingesammelt und an einer für sie geeigneten Stelle ausgesetzt – oft auch, weil Bäche austrocknen. «Das ist aber eine absolute Notmassnahme, die für die Fische ebenfalls extremen Stress bedeutet.» Einige überleben die Umsiedlung nicht.
Fliessende Gewässer sind in der Regel kälter als Seen. Doch auch in diesen steigen die Wassertemperaturen mit den heisser werdenden Sommern. Das Bundesamt für Umwelt gibt als Beispiel den Rhein bei Basel an, der 2021 im Jahresschnitt mehr als zwei Grad wärmer gewesen sei als 1960. «Bei der langfristigen Entwicklung der Wassertemperaturen in Schweizer Gewässern ist ein deutlicher Trend zu erhöhten Temperaturen sichtbar», schreibt das Bundesamt für Umwelt Bafu.
Gründe seien neben den höheren Lufttemperaturen die Einleitung von erwärmtem Wasser aus Kernkraftwerken, Industrie- und Kläranlagen. «Die Wissenschaft geht davon aus, dass sich die Schweizer Gewässer um 4 bis 5 Grad erwärmen werden.»
Gestörte Nahrungskette
Steigende Temperaturen beeinflussen auch das Nahrungsangebot – besonders in den Seen. «Sie stören das ökologische Gleichgewicht, die Vielfalt und Menge des Planktons nehmen ab. Dadurch sinkt das Nahrungsangebot der Fische», erklärt Bittner. Zu warmes Wasser destabilisiere das Ökosystem in Seen und darüber hinaus.
Fischer Gerny nennt ein weiteres Element, das es für ein ausreichendes Nahrungsangebot in Seen braucht: «Stürme wirbeln das Sediment auf und wälzen das Seewasser um, wodurch darin gebundenes Phosphat verfügbar wird.» Phosphat gelangt aber auch durch die Landwirtschaft sowie aus Privatgärten in den Zürichsee. «Es braucht die Umwälzung und den Nährstoffeintrag, damit das Phosphatangebot ausreicht», fasst Gerny zusammen, «aber die Nahrungspyramide ist ein komplexes Zusammenspiel, das leicht gestört werden kann.»
Laut Bittner vom Schweizerischen Fischerei-Verband ist die Situation der Fische bereits kritisch. Drei von vier einheimischen Fischarten seien gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Gründe dafür seien nicht nur steigende Wassertemperaturen, sondern auch die Nutzung der Wasserkraft, die die Lebensräume der Fische auf mehrere Arten beeinträchtigt. Hinzu komme der Eintrag von Schadstoffen, «nicht nur aus der Landwirtschaft, sondern auch aus den Haushalten», wie er betont. «In sehr vielen Gewässern sind die Grenzwerte häufig überschritten», kritisiert er.
Verbaute Seen und kanalisierte Flüsse seien ein weiterer Grund, weshalb die Schweizer Fischbestände zurückgingen. Daraus folgen laut Bittner weitere Probleme: «Fische sind Nahrung für weitere Tiere. Geht es ihnen nicht gut, fehlt anderen die Lebensgrundlage.»
Das nächste grosse Fischsterben kommt bestimmt
Bittner und der Fischereiverband befürworten deshalb alle Massnahmen, die die Klimaerwärmung bremsen – auch wenn diese nicht das einzige Problem der Fische und ihrer Lebensräume sei.
Zudem greifen sie zusammen mit weiteren Organisationen zu eigenen Massnahmen: Sie platzieren Totholz in begradigten Flüssen und schaffen so Rückzugsräume und Schatten für Fische. Wenn es prekär werde, würden sie auch kaltes Wasser in Flüsse einleiten, um bedrohte Fische zu retten.
«Der laufende Sommer ist zum Glück nicht so schlimm, 2023 sind wir knapp um weitere grosse Fischsterben herumgekommen. 2022 gab es die letzten flächendeckenden Fischsterben. Aber solche Ereignisse werden in den nächsten Jahren leider zunehmen», ist Bittner überzeugt.
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