Klimaschützer warnen Wie kurz der Weg auch ist, die WEF-Elite reist mit Privatjet an

uri

13.1.2023

So wird das WEF 2023

So wird das WEF 2023

Ein Rekord von 52 Staats- oder Regierungschefs und -chefinnen nehmen am Weltwirtschaftsforum in Davos teil. Dabei sind Bundespräsident Alain Berset, der deutsche Kanzler Olaf Scholz, Polens Präsident Andrzej Duda und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Im Fokus steht nebst der Wirtschafts- auch die Klimakrise.

11.01.2023

Was Planespotter freut, treibt Klimaschützern die Tränen in die Augen: Zum WEF in Davos reisen etliche Entscheidungsträger*innen wieder mit Privatjets an – und produzieren extrem viel schädliche Treibhausgase. 

uri

13.1.2023

Dem Klimaschutz kommt beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos trotz anderer grosser Probleme wie dem Krieg in der Ukraine oder drohenden Handelskonflikten besonderes Gewicht zu. Schliesslich kommt der eigene Global Risks Report zum Schluss, dass in den kommenden zehn Jahren vom Klimawandel und seinen Folgen die grösste Bedrohung für die Menschheit ausgeht.

Vor diesem Hintergrund möchte man meinen, dass die am WEF versammelten Entscheidungsträger*innen möglichst klimafreundlich nach Davos anreisen. Aber weit gefehlt, denn die Zahl klimaschädlicher Kurzstreckenflüge mit Privatjets steigt nun wieder stark an.

Der Flughafen Zürich meldete bereits, dass aufgrund der Business-Jets und Staatsmaschinen mit rund 1000 zusätzlichen Flugbewegungen zu rechnen ist. Die Zahl bewege sich damit im Bereich der Jahre vor der Corona-Pandemie.

Die einzelnen Dimensionen des Flugaufkommens durch die Privatjets beim WEF ermittelte das niederländische Beratungsunternehmen CE Delft gemeinsam mit Greenpeace – allerdings für das wegen der Corona-Pandemie in dieser Hinsicht schwächere Jahr 2022.

Mehr als die Hälfte der Flüge auf der Kurzstrecke

Laut der Studie landeten oder starteten während der WEF-Woche im Mai des letzten Jahres auf fünf Flughäfen in der Nähe von Davos doppelt so viele Privatjets wie in den Wochen vorher und nachher. Von den insgesamt 1040 erfassten Maschinen könne also die Hälfte dem WEF zugeordnet werden. Die meisten Jets seien dabei aus Deutschland, Frankreich und Italien gekommen, hält die Analyse fest.

Von den insgesamt über 1000 Flügen habe es sich bei über der Hälfte – nämlich bei 53 Prozent – um sogenannte Kurzstreckenflüge unter 750 Kilometern gehandelt. Fast vier von zehn seien sogar kürzer als 500 Kilometer gewesen, während 6 Prozent sogar lediglich über eine Strecke unter 100 Kilometern gingen.

Auch ein besonders krasses Beispiel nennt der Bericht: Die kürzeste Strecke per Flugzeug führte lediglich 21 Kilometer vom deutschen Friedrichshafen über den Bodensee nach Altenrhein im Kanton Sankt Gallen. Eine Strecke, die laut dem «Blick» mit dem Auto lediglich eine Stunde gedauert hätte. Allerdings erhöhte sich auch der Anteil der Langstreckenflüge über 3000 Kilometer in der WEF-Woche beträchtlich von 4 auf 16 Prozent.

Das WEF ruft dazu auf, mit dem Zug anzureisen

Der CO2-Ausstoss aller 1040 Flüge in der entsprechenden Zeit betrug laut der Studie 9700 Tonnen, was dem Ausstoss von 350'000 Autos in einer Woche entspricht. Den WEF-Gästen seien davon 7400 Tonnen der CO2-Emissionen zuzurechnen. Aufgrund der zusätzlichen Langstreckenflüge sei der Gesamtausstoss aber nicht nur doppelt, sondern sogar viermal so hoch gewesen wie in einer normalen Woche, so die Studie.

Entsprechend hart fällt denn auch die Kritik der Klimaschützer von Greenpeace aus. «Die Reichen und Mächtigen strömen nach Davos, um hinter verschlossenen Türen über Klima und Ungleichheit zu diskutieren», würden sie für ihre Anreise aber das umweltschädlichste Verkehrsmittel nutzen, den Privatjet, bemängelt Sprecherin Klara Maria Schenk in einer Mitteilung. Privatjets seien 5- bis 14-mal schädlicher als Passagierflugzeuge und 50-mal schädlicher als Züge, heisst es darin weiter.

Neu sind die Vorwürfe indessen nicht, vielmehr kommen sie genauso regelmässig wie das WEF selbst. Die Organisierten reagierten bereits in der Vergangenheit und erklärten, die Veranstaltung sei klimaneutral und «man tue alles, um Emissionen zu reduzieren». Seit dem Jahr 2017 berechne und kompensiere man zudem alle Emissionen der Jahrestagung unter Einschluss der Flugreisen von Mitarbeitern und Teilnehmern, heisst es auf der Website. Dafür finanziere man zertifizierte Kompensationsprojekte auf der ganzen Welt. Auch rufen die Organisatoren die Teilnehmer*innen dazu auf, möglichst mit dem Zug anzureisen.

Privat-Jets boomen 

Unabhängig davon verweisen die nach wie vor hohen Zahlen der Flüge mit den Privatjets aber darauf, dass die Reichen und Mächtigen nicht auf das luxuriöse und zugleich klimaschädliche Privileg von Privatflugzeugen verzichten möchten. Jüngste Recherchen zeigen für Deutschland – und in vielen Ländern dürfte es sich ähnlich verhalten –,  dass die Zahl entsprechender Flüge hier zuletzt auf ein Rekordniveau angestiegen ist.

Demnach verzeichnete man allein im Nachbarland im Jahr 2022 mehr als 94'000 Starts von Business-Maschinen, was ein Zuwachs von 9 Prozent zum Vorjahr bedeutet. Privatjet-Flüge machten damit rund 12 Prozent des gesamten Flugverkehrs in Deutschland aus, schreibt dazu die ARD-«Tagesschau».

Privatjets in Zürich: Zum WEF werden bedeutend mehr der Maschinen in der Schweiz registriert. 
Privatjets in Zürich: Zum WEF werden bedeutend mehr der Maschinen in der Schweiz registriert. 
Archivbild: Keystone

«Wir sehen einen starken Zuwachs bei den Privatflügen, die sehr CO2-intensiv sind und damit auch immer stärker zum Klimawandel beitragen», ordnete der Ökologie- und Tourismus-Forscher Stefan Gössling von der schwedischen Linnaeus-Universität die Lage gegenüber dem Sender ein.

Aktivisten fordern Verbot der Flüge

Und die Flüge seien längst nicht nur wegen der CO2-Emissionen klimaschädlich, weiss die ARD. Da die Jets zudem auch Stickoxide, Russ und Wasserdampf ausstossen, würden viele Wissenschaftler davon ausgehen, dass der durch sie verursachte Klimaschaden sogar rund dreimal so hoch sei wie jener, der allein durch die Menge an CO2 entstehe.

Dabei verursache das meistgenutzte Privatjet-Modell in der Summe einen Ausstoss von mehr als neun Tonnen Klimagasen in der Stunde. Eine Person in der Schweiz verursacht hingen rund 14 Tonnen Emissionen im Jahr, schreibt die Klimaschutz-Stiftung Myclimate mit Sitz in Zürich.

Wissenschaftler Gössling fordert die Politik angesichts dieser Zahlen auf, aktiv zu werden: «Wir können aus Klima-Perspektive nicht länger zuschauen, dass viele Reisen mit dem Flugzeug gemacht werden, gerade mit Privat-Flugzeugen, die auch genauso gut mit der Bahn zu absolvieren wären oder meinetwegen mit dem Privatwagen», sagte er der ARD. Deutlicher werden die Schweizer Aktivist*innen von Climatestrike. Sie fordern auf ihrer Website «ein sofortiges Verbot von Privatjets und unnötigen Luxusflügen wie Taxi-Flügen oder Heli-Skiing.»

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone SDA.