Krankenkassen-Knorz Wer bezahlt Behandlungen von zwölf Milliarden Franken?

aru

9.8.2021

Im aktuellen Tarifsystem sind zahlreiche Behandlungen noch nicht aufgeführt, da es aus dem Jahr 2004 stammt.
Im aktuellen Tarifsystem sind zahlreiche Behandlungen noch nicht aufgeführt, da es aus dem Jahr 2004 stammt.
Christin Klose/dpa-tmn

Santésuisse und Curafutura arbeiten seit Jahren aneinander vorbei. Nun kommt eine dringend notwendige Reform wieder aufs politische Parkett. Für die Versicherten steht dabei viel auf dem Spiel. Warum Gesundheitsminister Berset schlichten muss.

aru

9.8.2021

Seit Jahren schnellen die Krankenkassenprämien in die Höhe. Die Politik ist gefordert, da ein Systemwechsel dringend notwendig ist.

Doch ist Sand im Getriebe, da die beiden Verbände Santésuisse und Curafutura nicht zusammenarbeiten. Sie sind zwei der mächtigsten Player im Schweizer Gesundheitswesen. Sämtliche der 8,5 Millionen Menschen in der Schweiz sind bei einer Krankenkasse grundversichert, die einem der beiden Verbände angeschlossen ist.

Wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, arbeiten die Beteiligten seit rund zehn Jahren an einer Reform im Gesundheitswesen. Aktuell rechnen Ärzte, Spezialisten und Spitäler ihre ambulanten Leistungen nach dem Tarmed-Modell ab. Dieses Regime gilt seit 2004 und ist somit veraltet.

Es geht um Behandlungen im Wert von zwölf Milliarden

Behandlungen, die es nicht mehr gibt, sind darin aufgeführt und neue Verfahren sind nicht vermerkt. Die ganze Branche warte dringlichst auf eine Reform, schreibt die «NZZ am Sonntag».

Die Zeitung schätzt, dass es jährlich um Behandlungen im Wert von zwölf Milliarden Franken geht, für die neu ein Preis eruiert werden soll. Santésuisse wie auch Curafutura entwickelten neue Systeme, die beim Bundesamt für Gesundheit zur Begutachtung eingereicht wurden.

Tardoc, so nennt Curafutura ihr System, wisse eine knappe Mehrheit der Versicherer hinter sich. Darin werden über 2000 Einzelleistungspositionen aufgeführt. Zudem würden die Tarifpartner garantieren, dass es in den ersten zwei Jahren zu keinen Mehrkosten komme, lässt sich Curafutura-Direktor Pius Zängele zitieren.

Nach Ansicht des Bundesrates weise diese Tarifstruktur dennoch «gewichtige Mängel» auf und eine kostenneutrale Einführung sei nicht sichergestellt, wie es in einer Medienmitteilung von Ende Juni hiess.

Tarmed
Kleider in der Personenschleuse fotografiert waehrend eines Medienbesuchs des neuen Biosicherheitslabors BSL-3 des IFIK (Institut fuer Infektionskrankheiten der Universitaet Bern) in dem ersten nationalen Kompetenzzentrum fuer Translationale Medizin und Unternehmertum, am Dienstag, 16. Juni 2020 in sitem-insel, Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Keystone

Tarmed (tarif médical) legt den schweizweit einheitlichen Einzelleistungstarif für ärztliche Leistungen fest. Diese gelten für Ärzt*innen, Einrichtungen und Spitalambulatorien. In Tarmed werden rund 4500 Leistungspositionen festgelegt und in sogenannten Taxpunkten bewertet. Nach diesem System werden die Kosten von medizinischen Leistungen bereits seit 2004 berechnet, weshalb eine Revision dringend notwendig ist.

In rund einem Monat plant Santésuisse seinen Katalog vorzustellen, worin rund 200 Pauschalen enthalten sind, die einen Grossteil der spitalambulanten Leistungen enthalten. Der Verband der Spitäler stellt sich voraussichtlich hinter diesen Ansatz.

Erneuter runder Tisch mit Alain Berset

Eine Einigung ist nicht in Sicht. So reichte Curafutura beim BAG einen überarbeiteten Tarif ein, ohne Santésuisse darüber zu informieren. Dies nachdem nur wenige Tage zuvor beide Verbände eine Absichtserklärung unterzeichneten, wonach beide Modelle «kohärent und komplementär koexistieren» sollten.

Bereits dieser Tage soll ein erneutes Treffen am runden Tisch mit Gesundheitsminister Alain Berset (SP) die Wogen glätten und dafür sorgen, dass die neuen Tarife doch noch Ende dieses Jahres – wie vom Bundesrat vorgesehen – eingereicht werden können.