Justiz verschärft PraxisWer Bilder des IS weiterleitet, gilt als Terrorist
aru
7.10.2021
Weil das Bundesstrafgericht in den vergangenen Jahren Terror-Angeklagte härter angeht, gilt heute jemand auch als Terrorist, der in Kontakt mit Menschen in Syrien steht.
aru
07.10.2021, 18:01
aru
Terroristen sind bedrohlich, weil sie Gebäude und Menschen in die Luft sprengen, ohne mit der Wimper zu zucken. Dass aber auch weitaus weniger genügt, um in der Schweiz als Terrorist verurteilt zu werden, zeigt die Erhebung des Kriminologen Ahmed Ajil. Er analysierte alle in der Schweiz abgehaltenen Prozesse und kommt zum Schluss: Bei einem Grossteil der Fälle handelt es sich um Handlungen in der digitalen Sphäre.
«Es geht also um Bilder, Videos oder Kommentare, die auf privaten Webseiten oder Social-Media-Plattformen wie Facebook gepostet oder via Whatsapp oder Telegram verschickt werden», wie er zu SRF sagt.
In den vergangenen 17 Jahren verhandelte das Bundesstrafgericht in Bellinzona 17 Fälle mit 32 Angeklagten, bei denen es um Terrorismus ging. Die meisten seien teilweise auch wegen kleinerer Delikte verurteilt worden, sagt er.
Über die Zeit habe sich die Schweizer Rechtssprechung verschärft. So seien vor 15 Jahren Handlungen noch nicht strafbar gewesen, die es heute sind. «Das Posten eines Bildes, Kommentars oder Videos auf den sozialen Medien wurde zuerst noch nicht als Unterstützung gewertet.»
«Es werden Handlungen geahndet, die sich zeitlich und räumlich in einem Bereich abspielen, der ziemlich entkoppelt ist von eigentlichen Gewalttaten.»
Früher habe sich das Bundesstrafgericht auf den Standpunkt gestellt, man gelte als IS-Unterstützer, wenn man deren Propaganda an viele Menschen richte. Heute hingegen reiche es, wenn man drei Propaganda-Bilder an eine einzige Person sende.
Der Grund für diese Verschärfung sei das seit 2015 geltende Al-Kaida- und IS-Gesetz. Es war der Wille der Politik, dass Terror-Sympathisanten schneller verurteilt werden können.
Die strenge Interpretation dieses Gesetzes habe auch negative Auswirkungen. Wer beispielsweise via Internet mit Syrer*innen Kontakt hat, könne bereits als IS-Mitglied gelten: «Es werden also Handlungen geahndet, die sich zeitlich und räumlich in einem Bereich abspielen, der ziemlich entkoppelt ist von eigentlichen Gewalttaten.»