Abstimmung vom 25. September Wem würde eine Reform der Verrechnungssteuer nützen?

Von Stefan Michel

8.9.2022

Zum zweiten Mal 2022 stimmt die Schweiz über die Abschaffung einer Steuer ab: Nach der Stempelsteuer im Februar steht am 25. September die Verrechnungssteuer zur Debatte.
Zum zweiten Mal 2022 stimmt die Schweiz über die Abschaffung einer Steuer ab: Nach der Stempelsteuer im Februar steht am 25. September die Verrechnungssteuer zur Debatte.
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Der Bund will die Verrechnungssteuer teilweise abschaffen. Davon profitiere die Schweizer Wirtschaft. Dagegen haben SP und Grüne das Referendum ergriffen. Sie sehen darin ein Geschenk für Konzerne und Schlupfloch für Steuervermeider.

Von Stefan Michel

8.9.2022

Wer profitiert von der Teilabschaffung der Verrechnungssteuer? Wie die Stimmberechtigten der Schweiz diese Frage beantworten, wird den Urnengang mitentscheiden.

Die Verrechnungssteuer kennen die meisten aus der Steuererklärung. Sie wird bei Zinserträgen von mehr als 200 Franken abgezogen. Steuerpflichtige können sie zurückfordern. Dies soll sie motivieren, ihr Vermögen und Zinserträge anzugeben. In der «NZZ» wurde die Verrechnungssteuer deshalb auch schon als «Misstrauenssteuer» bezeichnet. Personen anderer Nationalität oder ausländische Unternehmen können die bezahlte Verrechnungssteuer ebenfalls zurückfordern, was jedoch mit einem beträchtlichen bürokratischen Aufwand verbunden ist.

Weil andere Länder keine solche Steuer erheben, gäben viele Schweizer Unternehmen Obligationen im Ausland aus, erklärt der Bundesrat. Der Schweiz gingen so Mittel verloren. Damit Schweizer Firmen wieder vermehrt Obligationen im Inland auflegen, sollen Einkünfte aus diesen von der Steuer befreit werden. Zudem soll die Umsatzabgabe für inländische Obligationen fallen, welche beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren zu bezahlen ist.

Bürgerliche Allianz wirbt für Ja zur Verrechnungssteuer-Reform

Bürgerliche Allianz wirbt für Ja zur Verrechnungssteuer-Reform

Für ein Ja zur Reform der Verrechnungssteuer am 25. September hat am Dienstag in Bern eine Allianz von bürgerlichen Politikerinnen und Politikern geworben. Die Verrechnungssteuer vertreibe Finanzierungen von Unternehmen ins Ausland und die Reform bringe Steuereinnahmen zurück in die Schweiz, argumentierte sie. Die gezielte Reform der Verrechnungssteuer ist laut dem Ja-Komitee sehr attraktiv für die Schweiz. Zum einen würden die Steuereinnahmen steigen und zum anderen werde Fremdkapital für Staat und Service public günstiger. Davon profitiere die ganze Bevölkerung, heisst es in einer Medienmitteilung vom Dienstag.

06.09.2022

Wie viel kostet die Reform?

Steuererleichterungen haben einen Preis, nämlich die Summe der Einnahmen, welche nicht mehr in die Staatskasse fliessen. Auf 215 bis 275 Millionen Franken beziffert der Bundesrat den Rückgang der Steuereinkünfte. Im Abstimmungsbüchlein schrieb er noch,  die Mindereinnahmen würden 25 Millionen Franken pro Jahr betragen.

Gegner der Vorlage kritisieren, dass auch dies viel zu optimistisch sei und nur für die aktuell noch tiefen Zinsen stimme. Erreichten diese wieder ein «normales» Niveau, betrage der Verlust 400 bis 800 Millionen Franken pro Jahr.

Von der Abschaffung profitiere die Schweizer Wirtschaft, argumentiert der Bundesrat. «Im günstigsten Fall könnte sich die Reform bereits im Jahr des Inkrafttretens selbst finanzieren», heisst es in einem Erklärvideo des Bundesrates. Dies weil der Schweizer Obligationenmarkt nach der Aufhebung der Verrechnungssteuer wachsen würde.

Schweizer KMU finanzieren sich kaum über Obligationen

Die Gegner der Vorlage sehen das anders. Die KMU, welche gemäss Zahlen des Bundes 99 Prozent der Unternehmen in der Schweiz ausmachen und zwei Drittel der Arbeitsplätze bieten, finanzierten sich kaum über Obligationen und profitierten somit nicht von der Abschaffung der Verrechnungssteuer. Eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft von 2021 bestätigt, dass Obligationen bei Schweizer KMU eine marginale Rolle in der Finanzierung spielen.

Die Linke sieht deshalb in der Teilabschaffung der Steuer eine Bevorzugung von Konzernen, da nur diese überhaupt Verrechnungssteuern auf Zinserträgen von Obligationen bezahlten.

Die Reform müsse aber von der Allgemeinheit bezahlt werden, wenn die ausbleibenden Steuereinnahmen zu höheren Steuern für alle oder zur Kürzung staatlicher Leistungen führen würden. Ausserdem öffne die Gesetzesänderung ein Schlupfloch für Steuerhinterziehung.

Welche Prognose trifft zu?

Sicher ist: Wer als Sparer*in bisher Verrechnungssteuer bezahlte, tut dies auch noch, wenn die Vorlage eine Mehrheit findet. Und die Staatskasse zahlt diese Abgaben den Steuerpflichtigen weiterhin zurück, wenn diese sie in der Steuererklärung ausweisen.

Wer würde also von der Teilabschaffung der Verrechnungssteuer profitieren? Sicher sind es grosse Firmen und Investoren, die auf dem Obligationenmarkt aktiv sind. Die Befürworter sind überzeugt, dass die Allgemeinheit dank des ausgelösten Wachstums mitprofitieren wird. Ausserdem würden Bund und Kantone dank des grösser werdenden inländischen Obligationenmarkts wieder mehr Steuern einnehmen, stellt das bundesrätliche Erklärvideo in Aussicht.

Doch räumt der Clip an anderer Stelle ein: «Die finanziellen Folgen der Reform hängen von vielen Faktoren ab und sind nicht alle schätzbar.»