Stau am Gotthard und BernardinoWer will diese Maut? Wer ist dagegen? Und was bringt sie?
Von Andreas Fischer
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Der Pfingst-Stau am Gotthard-Nordportal zwischen 6 und 14 Uhr im Zeitraffer
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Staus vor dem Gotthardtunnel sollen mit einer flexiblen Gebühr bekämpft werden. Auch die Ausweichroute durch den San-Bernardino-Tunnel wäre davon betroffen. Das musst du über die aktuelle Maut-Diskussion wissen.
Von Andreas Fischer
06.06.2023, 18:46
Von Andreas Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Forderung nach einer Gotthard-Maut könnte im Parlament mehrheitsfähig werden. Mit einer dynamischen Tunnelgebühr soll der Verkehrsfluss reguliert werden.
Der Vorstoss von GLP, Mitte und FDP stösst vor allem im Tessin auf Unverständnis. Im Südkanton fühlt man sich abgehängt.
Ob die Maut wirklich gegen die Staus hilft, ist umstritten.
Es ist ein ungeschriebenes Verkehrsgesetz: Vor Feiertagen und vor Ferien staut sich die Blechlawine vor dem Gotthardtunnel kilometerlang. Weil dann viele Reisende auf die Hauptstrasse ausweichen, ärgern sich die Anwohner – und haben genug von den vielen Autos zu Ostern, Pfingsten und Auffahrt.
Damit soll Schluss sein: Wer künftig durch den Gotthardtunnel fahren will, soll zahlen. So lässt sich eine Motion zusammenfassen, die von einer bürgerlichen Allianz im Nationalrat eingebracht wurde. Doch ist eine Maut wirklich die Lösung für das Stauproblem?
Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
Welche Tunnel wären von der Maut betroffen?
Neben dem Gotthard-Tunnel wäre auch der San Bernadino-Tunnel im Kanton Graubünden betroffen. Auch dort soll das variable Preissystem gelten. Die Motion im Nationalrat spricht explizit von «im Nord-Süd-Transit relevanten Alpenübergängen (im Nationalstrassennetz)», schliesst also die Strecke über die A13 mit ein.
Was würde eine Maut durch den Gotthard-Tunnel kosten?
Details sind in der Motion der Nationalräte nicht genannt worden. Im Raum stehen Gebühren um die 20 Franken für eine einfache Fahrt, wie «Watson» berichtet.
Was ist ein dynamisches Mautsystem?
«Das Problem ist, dass alle immer gleichzeitig ins Tessin wollen», begründet der Urner Nationalrat Simon Stadler den Vorstoss. Ein dynamisches Mautsystem funktioniert nach dem Nachfrageprinzip. Sprich: An Tagen mit erwartbar hohem Verkehrsaufkommen wird es teurer. Mit diesem Prinzip «soll die Verkehrsspitze gedrückt werden», sagt Stadler.
Wann wäre die Gotthard-Maut besonders teuer? Und wann besonders billig?
An den Hauptreisetagen zu Ostern, Auffahrt oder Pfingsten müsstest du tiefer in die Tasche greifen. Wer auf andere Tage ausweicht, etwa ein paar Tage früher in die Osterferien fährt, muss weniger bezahlen. Besonders preiswert wäre eine Fahrt durch den Gotthard in den Wintermonaten.
Nicht viel. Simone Patelli, Präsident von Ticino Turismo, befürchtet, diskriminiert zu werden, weil man für Ferien im Südkanton eine zusätzliche Maut entrichten müsste, während andere Destinationen gebührenfrei zu erreichen sind. «Wir Tessiner müssten eine Eintrittsgebühr für die übrige Schweiz zahlen», echauffiert sich der Tessiner Nationalrat Alex Farinelli (FDP) im «Tages-Anzeiger».
Nicht ganz so schwarz sieht Nationalratskollege Bruno Storni: Der Tessiner SP-Parlamentarier glaubt nicht, dass das Tessin benachteiligt wird. «Denn der primäre Vorteil wäre, dass es am Gotthard weniger Staus und Warteschlangen gäbe. Wir haben bereits gesehen, dass es mit dem ‹Drop-by-drop-System› für Lastwagen möglich war, eine Ausnahme für Tessiner Fahrzeuge einzuführen.» Zudem sei die Motion nur ein Vorschlag, der noch ausgearbeitet werden müsse, sagte er in einem Interview mit dem Radiosender RSI.
Wie reagiert Graubünden auf die Tunnel-Maut?
Der Kanton Graubünden hat noch nicht offiziell auf die Motion reagiert. Auf Nachfrage von blue News hiess es lediglich, dass man noch um etwas Geduld bitte.
Liesse sich mit einer Maut wirklich der Verkehr an den Spitzentagen regulieren?
Darüber gehen die Meinungen auseinander. Skeptiker wie der SVP-Verkehrspolitiker Thomas Hurter befürchten «nur noch mehr Ausweichverkehr». Eine Maut erreiche «das Gegenteil dessen, was die Befürworter wollen», sagte er der «NZZ am Sonntag».
Befürworter hingegen führen erfolgreiche Beispiele aus dem Ausland an. Für die GLP-Nationalrätin Corina Gredig ist die lenkende Wirkung von Mautsystemen erwiesen: «Nachdem London im Jahr 2003 eine variable Gebühr für die Innenstadt eingeführt hatte, ist der Stau um 30 Prozent zurückgegangen.»
Was sagt das Ausland zur Maut-Diskussion?
Eine Tunnelgebühr wird kritisch gesehen. Der Tenor vor allem in Deutschland ist: Die Schweiz will mit der Maut «abkassieren».
Wo gibt es in der Schweiz bereits eine Tunnelmaut?
Die Fahrt durch den Grossen-St.-Bernhard-Strassentunnel, der das Wallis direkt mit dem italienischen Aostatal verbindet, kostet retour 50 Franken (einfache Fahrt: 31 Franken). Auch für die Fahrt durch den Munt-la-Schera-Tunnel vom Engadin nach Livigno in der italienischen Provinz Sondrio wird eine Maut fällig: im Sommertarif 25 Franken für eine Hin- und Rückfahrt (einfache Fahrt: 15 Franken).