«Wir sind unpolitisch» Trychler-Gruppen wollen Demo-Teilnehmer ausschliessen

Von Alex Rudolf

5.11.2021

Sie dürfen an Demonstrationen gegen die Covid-Massnahmen nicht fehlen: die Freiheitstrychler. Hier bei einer Kundgebung in Winterthur vom vergangenen September.
Sie dürfen an Demonstrationen gegen die Covid-Massnahmen nicht fehlen: die Freiheitstrychler. Hier bei einer Kundgebung in Winterthur vom vergangenen September.
KEYSTONE/ Michael Buholzer

Die Freiheitstrychler wirken sich negativ auf andere Trychler-Gruppen aus, die sich aus der Politik raushalten. Diese werden seltener gebucht und müssen sich öffentlich distanzieren.

Von Alex Rudolf

5.11.2021

Die Freiheitstrychler mit ihren weissen Chutteli und lauten Glocken sind kaum mehr von Kundgebungen gegen die Covid-Massnahmen wegzudenken. Die grosse Medienpräsenz macht die selbst ernannten Freiheitskämpfer*innen immer bekannter. Nachdem SVP-Bundesrat Ueli Maurer in einem mit Enzianen und Edelweissen bestickten Hirtenhemd posierte, tat dies Mitte Oktober auch Partei-Doyen Christoph Blocher.

Darunter leiden jedoch jene Gruppen, die sich strikt aus der Politik raushalten. Und das sind die meisten von ihnen. Hört man sich um, lautet der Tenor in der Regel gleich. Mit der Teilnahme an Corona-Demos der laut eigenen Angaben rund 250 Mitglieder zählenden Freiheitstrychler rücke der Fokus vom Kernanliegen – der Pflege einer Tradition – ab.

Mehr und mehr Gruppen distanzieren sich dezidiert von den Demos. So veröffentlichte die Trychlergruppe Meggen jüngst eine Stellungnahme auf ihrer Website, in der sie klarstellt: Das Ziel sei die Pflege des Schweizer Brauchtums sowie die Kameradschaft untereinander. Nichts anderes.

Adrian Wernli von der Trychlergruppe aus dem luzernischen Rickenbach wird hin und wieder auf die Covid-Demonstrationen angesprochen. «Viele mutmassen, dass auch unsere Mitglieder in Bern demonstrieren. Dieses blöde Gerede ertrage ich schlecht – bei mir macht es dann Göschenen–Airolo; zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus.»

«Viele mutmassen, dass auch unsere Mitglieder in Bern demonstrieren. Dieses blöde Gerede ertrage ich schlecht – bei mir macht es dann Göschenen–Airolo, zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus.»

Adrian Wernli

TRYCHLERGRUPPE RICKENBACH

Wie sehr die Freiheitstrychler dem Brauchtum schaden, sei ihnen wohl selbst nicht bewusst. «Sie ziehen das Trychlen in den Dreck.»

Adrian Wernli will sich von den Freiheitstrychlern klar abgrenzen.
Adrian Wernli will sich von den Freiheitstrychlern klar abgrenzen.
zvg

Was können die Gruppen dagegen tun? An Gegendemonstrationen gehen? «Wir sind ein durch und durch unpolitischer Verein», sagt Jörg Dätwyler von der Trychlergruppe aus dem zürcherischen Dietikon. Eine solche Aktion wäre daher falsch. «Werden wir auf die Demonstrationen angesprochen – das kommt selten vor – verweisen wir darauf, dass wir damit nichts zu tun haben. Punkt.»

Demo-Teilnehmer sollen per sofort ausgeschlossen werden

Auch für Wernli ist die Teilnahme an Gegendemos ein Tabu. Er will den Ruf der Trychler auf andere Weise reparieren. «Ich beantrage unserer Generalversammlung vom kommendem Februar, alle per sofort auszuschliessen, die an Massnahmendemos teilnehmen», sagt er. Er sei nicht der Einzige, der dies vorhat. «Auch andere Trychlergruppe-Präsidenten wollen ihre Statuten dahingehend ändern, dass ein Ausschluss möglich ist.»

Die Konsequenzen könnten noch weitreichender sein: Was für den Tennisspieler Wimbledon und für Golfspieler das US Open ist, ist für die Trychler das Eidgenössische. Dieses hätte im vergangenen Jahr im aargauischen Bremgarten stattgefunden, musste aber wegen Covid auf dieses Jahr verschoben und schliesslich gestrichen werden. 3000 Teilnehmer*innen wären in rund 150 Gruppen am grossen Umzug durch das Städtchen erwartet worden. Bis zu 15'000 Besucher*innen hätten das Spektakel am Strassenrand verfolgt. Das nächste Mal findet der Anlass nun 2023 in Menzingen statt.

Josef Winiger hätte dieses Jahr das Eidgenössische veranstaltet. Dieses musste aber abgesagt werden.
Josef Winiger hätte dieses Jahr das Eidgenössische veranstaltet. Dieses musste aber abgesagt werden.

Doch bereits jetzt steht fest: Wernli beantragt bei den Organisatoren, die Freiheitstrychler vom Anlass auszuschliessen.

«Haben Gruppen einen Auftritt, denken viele automatisch, dass es sich um die Freiheitstrychler handelt. Veranstalter wollen sich jedoch von diesem Reizthema fernhalten.»

Josef Winiger

OK-Präsident Eidgenössisches Bremgarten

Für Josef Winiger, den OK-Präsident des abgesagten Eidgenössischen, wäre ein solcher Ausschluss ein gangbarer Weg gewesen. «Denn die Freiheitstrychler lenken die Aufmerksamkeit aufs Politische. Das wollen wir nicht.» Dennoch sei die Handhabung Sache des nächsten Veranstalters in Menzingen, da wolle er nicht dreinreden.

Für Winiger steht fest: Die Auswirkungen auf die Trychler-Szene sind sehr gross. So sind ihm zahlreiche Gruppen bekannt, denen Auftritte abgesagt wurden. «Haben Gruppen einen Auftritt, denken viele automatisch, dass es sich um die Freiheitstrychler handelt. Veranstalter wollen sich jedoch von diesem Reizthema fernhalten.»

Demo gegen «Impfzwang durch Hintertür» erreicht Bundesplatz

Demo gegen «Impfzwang durch Hintertür» erreicht Bundesplatz

Die rund tausend Menschen, die am Mittwoch in Bern gegen die Ausweitung des Corona-Zertifikats protestierten, haben am Abend doch noch den Bundesplatz erreicht. Kurz nach 21 Uhr versammelten sich sich vor dem Bundeshaus. Die Polizei liess sie zunächst gewähren. Ein montierter Zaun trennte die Menge von der Strasse vor dem Bundeshaus. Ein «Konzert» der sogenannten Freiheitstrychler fand bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demo grossen Applaus. Die Teilnehmer der Kundgebung sangen danach die Nationalhymne. Die Demonstration hatte sich am Abend beim Bahnhofplatz besammelt und war danach durch die Innenstadt gezogen.

10.09.2021

Wie kämpft Winiger gegen den schlechten Ruf an? «Seit einem Jahr verfolge ich eine Strategie: Ich positioniere mich öffentlich und zeige so, dass nicht alle Trychler in eine Schublade gesteckt werden können.»